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Cannabis auf Rezept: Wann bezahlt die Krankenkasse?

Bereits seit März 2017 besteht für Patienten die Möglichkeit, sich medizinisches Cannabis von ihrem Arzt auf Kosten der Krankenversicherung verschreiben zu lassen. Cannabis als Arzneimittel zur begleitenden oder alternativen Therapie bei schweren Erkrankungen erfreut sich wachsender Beliebtheit. Aktuell erhalten rund 370.000 Patienten Cannabis auf Rezept. Dennoch stoßen Patienten häufig auf Probleme bei der Kostenübernahme des verschriebenen Cannabisprodukts durch ihre Krankenversicherung. Gerade Versicherte der Privaten Krankenversicherung erleben häufig eine böse Überraschung, wenn sie die Rechnungen für Cannabispräparte zur Erstattung einreichen. Dieser Ratgeber beantwortet die wichtigsten Fragen zur Kostenübernahme von medizinischem Cannabis durch die Krankenversicherung.

Inhaltsverzeichnis
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    Cannabis seit März 2017 auf Kosten der Krankenkasse möglich

    Seit dem 10. März 2017 können Ärzte neben Arzneimitteln wie Sativex, Dronabinol oder Nabilon auch Cannabisblüten und -extrakte legal auf Kosten der Krankenkasse verschreiben. Der durch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften im März 2017 neu eingefügte Abs. 6 in § 31 SGB V regelt nämlich in eng begrenzten Ausnahmefällen einen Anspruch des Patienten auf Kostenübernahme von Cannabispräperaten durch die Gesetzliche Krankenversicherung.

    Was ist der Unterschied zwischen medizinischem und „normalem“ Cannabis?

    Anders als „Gras“ zu reinen Genusszwecken werden medizinische Cannabisprodukte in einem standardisierten Verfahren hergestellt, um hierdurch zu garantieren, dass das medizinische Cannabis, wie andere Medikamente auch, stets die gleiche Qualität und Wirkstoffmenge aufweist. Dementsprechend darf medizinisches Cannabis ausschließlich über Apotheken bezogen werden. Ein Eigenanbau von Cannabispflanzen zu medizinischen Zwecken ist deshalb bislang verboten.

    Um die korrekte Dosierung durch den Patienten zu gewährleisten, geben die Apotheken Cannabisblüten und -extrakte nur als sog. Rezepturarzneimittel heraus. Hat der Arzt etwa Cannabisblüten verordnet, werden die Blüten von der Apotheke nicht einfach „am Stück“ ausgegeben, sondern gemäß den ärztlichen Anweisungen „vorgemahlen“. So wird sichergestellt, dass der Patient mit einem Dosierlöffel das Cannabis exakt in der vom Arzt vorgegebenen Dosierung abmessen und konsumieren kann.

    Es gilt dabei: Je Patient dürfen ärztlich höchstens 100 Gramm Cannabisblüten pro Monat verschrieben werden.

    Darüber hinaus sind die Wirkstoffe des medizinischen und des normalen Cannabis jedoch identisch. Ein „Wischtest“ der Polizei oder eine Blutuntersuchung können nicht feststellen, ob medizinisches oder „normales“ Cannabis konsumiert wurde.

    Ärztliche Verschreibung bedeutet nicht Kostenübernahme des Cannabis!

    Wie zahlreiche Patienten aus leidvoller Erfahrung berichten können, führt eine ärztliche Verschreibung von medizinischem Cannabis nicht automatisch zu einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse.

    Eine ärztliche Verordnung von Cannabispräparaten führt erst einmal nur dazu, dass der Patient die verschriebenen Substanzen legal beziehen und einnehmen darf. Auch ergibt sich im Hinblick auf fahrerlaubnisrechtliche Bestimmungen eine Privilegierung. Denn anders als beim regelmäßigen Cannabiskonsum zu Genusszwecken droht bei der Einnahme von ärztlich verschriebenem Cannabis nicht automatisch ein Entzug der Fahrerlaubnis.

    Hält der Arzt die Verordnung von medizinischem Cannabis für erforderlich oder verschreibt er derartige Präparate auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten, verpflichtet dies die Krankenkasse jedoch nicht automatisch zur Kostenübernahme.

    Wann muss die Gesetzliche Krankenkasse die Kosten für das Cannabis auf Rezept übernehmen?

    Bei der gesetzlichen Krankenversicherung besteht eine Erstattungsfähigkeit der Kosten nur unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V. Wird medizinisches Cannabis einem Patienten demnach erstmalig verschrieben, ist für die Kostenübernahme ein vorheriger Antrag bei der Krankenkasse zwingend erforderlich. Die Krankenkasse muss nach Eingang des Antrags binnen drei Wochen entscheiden, ob die Kosten übernommen werden.

    Anspruchsvoraussetzung ist dabei, dass Versicherte an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden und eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

    Aus diesem sperrigen Gesetzeswortlaut ergibt sich also, dass eine Kostenübernahme für medizinisches Cannabis nur in Betracht kommt, wenn

    1. der Patient an einer schwerwiegenden Erkrankung leidet für die Krankheit des Patienten
    2. keine sonstige medizinisch anerkannte Behandlung (sog. Standardtherapie) zur Verfügung steht oder eine derartige Standardtherapie zwar existiert, dem Patienten aber aufgrund seines Gesundheitszustands oder der zu erwartenden Nebenwirkung nicht zugemutet werden kann.
    3. durch die Einnahme von medizinischem Cannabis jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass diese sich spürbar positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt.

    Jene drei Voraussetzungen müssen gemäß dem Gesetzeswortlaut gleichzeitig vorliegen, damit eine Kostenübernahme erfolgen kann. Problematisch sind die im Gesetzestext verwendeten Begrifflichkeiten wie „schwerwiegende Erkrankung“, „Standardtherapie“ oder „spürbare positive Auswirkung“, da es sich hierbei um unbestimmte Begrifflichkeiten handelt. Die Rechtsprechung hat jedoch Eckpunkte entwickelt, wann die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen.

    Schwerwiegende Erkrankung

    Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gilt eine Krankheit als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Da auch diese Definition für die Praxis zu wenig konkret ausfällt, hat das BSG in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 10.11.2022, Az. B – 1 KR 21/21 R) endlich handfeste Leitlinien vorgegeben.

    Das BSG führt aus, dass eine schwerwiegende Erkrankung regelmäßig dann vorliegt, wenn die Krankheit nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 bedingen würde. Die Richter erkannten jedoch ebenfalls an, dass auch nur Symptome einer schwerwiegenden Erkrankung mit medizinischem Cannabis behandelt werden können. Als Beispiel für derartige Symptome wird in der Gesetzesbegründung die Behandlung von Appetitlosigkeit und Übelkeit bei Krebserkrankungen mit Chemotherapie genannt. Eine formale Beantragung eines GdB ist hingegen nicht notwendig.

    Zwar wies das BSG ausdrücklich darauf hin, dass es sich hierbei nicht um einen starren Grenzwert handle, jedoch verdeutlicht die Entscheidung, dass medizinisches Cannabis grundsätzlich nur bei äußerst gravierenden Erkrankungen oder besonders belastenden Symptomen erstattungsfähig ist. Beispielhaft wird auf Krebserkrankungen, Epilepsie oder chronische Schmerzerkrankungen hingewiesen.

    Keine oder vorliegend ungeeignete Standardtherapie

    Die Frage, ob eine dem medizinischen Standard entsprechende Standardtherapie existiert, beantwortet sich nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.3.2021, Az. L 11 KR 436/20). Eine Standardtherapie fehlt, wenn sie nicht zur Verfügung steht oder sie der Versicherte nachgewiesenermaßen nicht verträgt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.3.2021, Az. L 11 KR 436/20), sie also etwa bereits erfolglos durchgeführt wurde oder wegen Kontraindikationen oder nicht zumutbaren Nebenwirkungen gar nicht in Frage kommt.

    Positive Wirkungsprognose

    Die Erfolgsaussicht muss sich auf die ursächliche Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung oder auf deren besonders schwere Symptome beziehen. An die Prognose sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Ausreichend ist, dass im Hinblick auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome nach wissenschaftlichen Maßstäben objektivierbare Erkenntnisse vorliegen, dass die Behandlung im Ergebnis mehr nutzt als sie schadet.

    Wer muss die Voraussetzungen feststellen?

    Grundsätzlich stellt der behandelnde Arzt die vorgenannten Voraussetzungen fest. Dass die Kosten der Cannabispräparate tatsächlich erstattet werden, ist eine gründliche Dokumentation unerlässlich. Der Arzt hat die Krankenkasse umfassend über die Krankheit des Patienten, dessen medizinischer Vorgeschichte und die bereits durchgeführten Behandlungen zu informieren. Darüber hinaus sollte ein Behandlungsplan übermittelt werden, woraus sich ergibt, welches Präparat in welcher Menge der Patient einnehmen sollte. Hat die Gesetzliche Krankenkasse begründete Zweifel an den Ausführungen des Arztes, kann eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) angeordnet werden.

    Hier zeigt sich regelmäßig, dass überregional bekannte Ärzte, die Patienten unkompliziert Cannabisrezepte ausstellen, nicht die geeignete Anlaufstelle sind. Denn erfahrungsgemäß besteht dort keine Bereitschaft, für die Krankenkassen des Patienten ausführliche Stellungnahmen oder Gutachten anzufertigen. Dies kann jedoch notwendig werden, da viele Krankenkassen gegenüber der „neuen“ Behandlungsform skeptisch sind.

    Zumeist wird eine Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt, dass noch nicht alle gängigen Behandlungsmethoden ausgeschöpft worden seien. Diesem Vorwurf kann nur begegnet werden, wenn der behandelnde Arzt nachvollziehbar Stellung nimmt und begründet, weshalb eine solche Standardtherapie für den Patienten nicht in Frage kommt.

    Die Gesetzliche Krankenkasse verweigert die Kostenübernahme beim Cannabis auf Rezept – wie kann man sich wehren?

    Die Gesetzliche Krankenkasse verweigert in mehr als 30% der Fälle die Kostenübernahme. Hier sind Betroffene auf schnelle Hilfe angewiesen. Denn die Cannabispräparate sind teuer, was gerade bei häufiger Einnahme nach kurzer Zeit zu einem horrenden Kostenrisiko führt.

    Hier sollten Betroffene umgehend anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Dieser entscheidet nach Rücksprache mit dem Mandanten, ob gegen die Entscheidung der Krankenkasse Widerspruch eingelegt werden sollte. Beachten Sie: Ein Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ist grundsätzlich nur binnen eines Monats nach Zugang des Bescheids möglich.

    Erhebt der Patient einen Widerspruch, beginnt das sog. Widerspruchsverfahren. In diesem überprüft eine andere Abteilung der Krankenkasse, ob der Widerspruch begründet ist und die Kosten des medizinischen Cannabis doch übernommen werden. Weigert sich die Krankenkasse trotz Widerspruch, wird dem Patienten diese endgültige Entscheidung in Form eines sog. „Widerspruchsbescheids“ schriftlich mitgeteilt.

    Endet das Widerspruchsverfahren mit einem negativen Widerspruchsbescheid, ist im nächsten Schritt eine Klage beim zuständigen Sozialgericht möglich. Auch hier ist eine Frist zu wahren. Die Klage muss binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids erhoben werden.

    Unsere Anwälte beraten Sie zur Frage der Kostenübernahme von medizinischem Cannabis durch die Gesetzliche Krankenkasse. Wird Ihr Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt, vertreten wir Sie bereits im Widerspruchsverfahren, um eine schnelle Kostenübernahme zu erwirken. Ist eine gerichtliche Auseinandersetzung unvermeidbar, vertreten wir Sie auch vor dem Sozialgericht kompetent und durchsetzungsstark.

    Wann muss die Private Krankenkasse die Kosten für das Cannabis auf Rezept übernehmen?

    Anders als in der Gesetzlichen Krankenversicherung gibt es in der Privatversicherung keinen Genehmigungsvorbehalt für Cannabis-Arzneimittel. Eine vorhergehende Antragstellung ist daher nicht erforderlich. Die Private Krankenversicherung erstattet die Kosten für Cannabis-Arzneimittel ebenso wie für andere Arzneimittel entsprechend den Versicherungsbedingungen.

    Danach setzt eine Kostenübernahme voraus:

    • dass eine ärztliche Verordnung vorliegt
    • der Patient das Arzneimittel aus einer Apotheke bezogen hat
    • die Therapie im konkreten Fall medizinisch notwendig ist
    • die Therapie den Regeln der Schulmedizin entspricht oder angewandt wird, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen.

    Auch in der Privaten Krankenversicherung gilt, dass im Zweifel der behandelnde Arzt eine fundierte Stellungnahme über die medizinische Notwendigkeit und Ausschöpfung oder Unzumutbarkeit sonstiger Therapiemaßnahmen abgeben muss.

    Die Private Krankenkasse verweigert die Kostenübernahme des Cannabis auf Rezept – wie kann man sich wehren?

    Obwohl bei Privaten Krankenkassen keine vorherige Antragstellung erforderlich ist, wird unserer Erfahrung nach deutlich häufiger eine Kostenübernahme von medizinischem Cannabis abgelehnt als bei der Gesetzlichen Krankenversicherung. Das häufigste Argument auch hier: Die schulmedizinischen Therapiemethoden seien noch nicht ausgeschöpft.

    Jedoch argumentieren zahlreiche Versicherer auch dreist mit der Behauptung, der Nutzen von medizinischem Cannabis sei wissenschaftlich nicht hinreichend belegt. Denn anders als die Gesetzlichen Krankenkassen, für die sich die Zulässigkeit von medizinischem Cannabis aus dem Gesetz selbst ergibt, haben Private Krankenversicherungen hier einen deutlich größeren Interpretationsspielraum.

    Auch steht dem Privatpatienten kein Widerspruchsverfahren gegen eine verweigerte Kostenübernahme zu. Zusätzliche Probleme ergeben sich insbesondere für Beamte. Denn ihnen wird ein Teil der Arzneimittelkosten von der Beihilfe, der andere Teil von der Privaten Krankenkasse erstattet.

    Jedoch sind Private Krankenkassen verpflichtet, an einem Ombudsmannverfahren teilzunehmen. Hier kann sich der Privatpatient kostenlos über eine verweigerte Kostenübernahme beschweren. Der Ombudsmann wird dann versuchen, eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien zu vermitteln. Schlägt dieser Versuch fehl, bleibt dem Patienten nur der Klageweg vor den Zivilgerichten. Dort entstehen dem Kläger, anders als in sozialrechtlichen Verfahren, deutlich höhere Verfahrenskosten.

    Aufgrund dieses Kostenrisikos und der deutlich eingeschränkten Widerspruchsmöglichkeiten sollten betroffene Privatpatienten unbedingt zeitnah versierten anwaltlichen Rat einholen.

    Unsere Anwälte für Versicherungsrecht kennen die Argumente und Winkelzüge der Privaten Krankenversicherungen, mit denen diese sich einer Kostenübernahme entziehen wollen. Wir beraten und vertreten Sie bereits außergerichtlich gegenüber Ihrer Versicherung. Wünschen Sie die Durchführung eines kostenschonenden Ombudsmannverfahrens, werden wir dort eine fundierte Beschwerde gegen Ihre Krankenkasse einlegen. Ist ein Gerichtsverfahren unvermeidlich, werden wir Ihre Ansprüche kompromisslos und zielstrebig durchsetzen. Kontaktieren Sie uns noch heute.

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