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Widerruf des Immobilienkredits mit dem Widerrufsjoker 2.0

Auch bisher war es unter bestimmten Umständen möglich, bestehende Immobilienfinanzierungen zu widerrufen, um so massiv Geld zu sparen. Die Möglichkeit, auch Jahre nach Abschluss eines Immobilienkreditvertrages den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen, wird gemeinhin als „Widerrufsjoker“ bezeichnet. Ein brandaktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs bringt den Verbrauchern quasi einen Widerrufsjoker 2.0, denn nun ist es so einfach wie nie, seine Finanzierung zu widerrufen. Aber was ist eigentlich ein „Widerruf“, warum ist er möglich, warum lohnt er sich und was müssen Kunden beachten? Wir beantworten die wichtigsten Frage zum Thema Widerruf des Immobilienkredits.
Inhaltsverzeichnis
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    Der Widerruf – Was ist das?

    Die meisten Verbraucher kennen bereits ein Widerrufsrecht – nämlich das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen, also beim Onlineshopping. Demnach hat jeder Kunde das Recht, binnen 14-Tagen ab Erhalt der Ware, den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Die Folge: Der Kunde schickt die Ware zurück, der Verkäufer erstattet den Kaufpreis.
    Was vielen nicht bekannt ist: Auch bei sog. Verbraucherdarlehensverträgen steht dem Kunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht aus §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zu.
    Aber was ist eigentlich ein Verbraucherdarlehensvertrag? Ganz einfach: Schließt ein privater Kunde einen Kreditvertrag mit einer Bank, liegt ein Verbraucherdarlehensvertrag vor. Dabei ist es unerheblich, ob das Darlehen der Finanzierung eines Autos, eines Hauses oder einer Waschmaschine dient. Somit ist auch ein Immobilienkredit ein Verbraucherdarlehensvertrag.
    So können Immobiliendarlehen auch innerhalb von 14-Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Anders als beim Onlinehandel aber stellt sich hier regelmäßig die Frage, wann die Widerrufsfrist von 14-Tagen zu laufen beginnt.


    Warum ist der Widerruf von Immobilienkrediten noch möglich?

    Viele Verbraucher werden sich die Frage stellen, warum heute noch ein Widerruf ihres Immobiliendarlehens möglich sein soll, wo doch der Vertragsschluss oft schon viele Jahre zurückliegt.

    Hier lohnt sich ein Blick ins Gesetz. Gemäß §§ 356 b Abs. 2, 492 Abs. 2 BGB beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist erst dann anzulaufen, wenn der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde und zusätzlich die nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erforderlichen Pflichtangaben erhalten hat.

    Grundsätzlich sind Banken bei Immobilienkrediten verpflichtet, den Kunden ausdrücklich, klar und verständlich auf sein gesetzliches Widerrufsrecht hinzuweisen. Dieser Hinweis liegt den Kreditanträgen bei und ist meist mit „Widerrufsinformation“ oder „Widerrufsbelehrung“ überschrieben.

    Der Verbraucher soll durch diese Widerrufsinformationen zum einen erkennen, dass er den Vertrag widerrufen kann und weiterhin berechnen können, bis zu welchem Zeitpunkt dies möglich ist.

    Wie dargestellt, genügt allein die Überlassung einer Widerrufsinformation noch nicht aus, um die 14-tägige Widerrufsfrist anlaufen zu lassen. Vielmehr muss der Verbraucher auch die weiteren Pflichtangaben aus Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erhalten. Solche sind beispielsweise die Angabe der Berechnungsmethode einer Vorfälligkeitsentschädigung oder die Überlassung eines Tilgungsplans.

    Ist die von der Bank ausgehändigte Widerrufsinformation falsch oder fehlen erforderliche Pflichtangaben, so beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht anzulaufen!

    Um sicherzustellen, dass die Banken ihre Kunden ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informieren, hat der deutsche Gesetzgeber eine Musterwiderrufsinformation erstellt. Diese können Kreditinstitute einfach übernehmen. Der erste Absatz der Musterwiderrufsinformation, der sich auch in Millionen von Immobilienkreditverträgen so oder so ähnlich findet, lautet:

    „Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

    Genau mit dieser Formulierung aber ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) nicht einverstanden, wie er in seiner Entscheidung vom 26. März 2020, Az. C-66/19, urteilte. Denn der Verbraucher, der für sich berechnen will, wann denn nun seine Widerrufsfrist zu laufen beginnt, stößt hier auf einen Gesetzes-Dschungel. Lesen hier mehr zum Urteil des EUGH.

    Ließt er den angesprochenen § 492 Abs. 2 BGB, wird er von dort aus in Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB geleitet, der wiederum teilweise in das BGB zurückverweist.

    Diese Methode, den Verbraucher auf eine Reise durch unterschiedliche Gesetzbücher zu schicken, nennt der EuGH als Kaskadenverweis. Diese erklärte der EUGH kurzerhand für rechtswidrig.

    „Die Folge: Der Verbraucher wurde nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert, so dass die 14-tägige Frist noch nicht angelaufen ist!“


    Was sind die Folgen eines Widerrufs des Immobilienkredits?

    Ist der Widerruf wirksam erklärt, sind grundsätzlich die gegenseitig empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Aber was bedeutet das im Einzelnen genau? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ganz klar geregelt, wie die Rückabwicklung abzulaufen hat (BGH, Urteil vom 22. September 2015, Az.: XI 116/15):
    Der Verbraucher muss der Bank formal die gesamte Darlehenssumme, ohne Anrechnung bereits erbrachter Tilgungen, samt Wertersatz für noch nicht bezahlte Zinsen auf die Restschuld binnen 30 Tagen erstatten.
    Die Bank wiederum muss dem Kunden alle von ihm geleisteten Tilgungen und Zinsen samt den daraus mutmaßlich erzielten Gewinnen (Nutzungsersatz) erstatten.
    In der Praxis werden die gegenseitigen Forderungen verrechnet, so dass der Verbraucher tatsächlich nur noch die aktuelle Restschuld seines Darlehens schuldet, korrigiert um den Saldo aus Wert- und Nutzungsersatz.
    Gelingt es dem Kunden nachzuweisen, dass der Immobilienkredit bei Abschluss einen höheren Zins als den Marktzins beinhaltete, so muss er nur den damals üblichen Zins auf die Restschuld bezahlen!

    Lohnt sich der Widerruf des Immobilienkredits?

    In den meisten Fällen lautet die Antwort: Ja! Die Vorteile bestehen im Wesentlichen in folgenden zwei Punkten.

    Möglichkeit der günstigeren Weiterfinanzierung

    Gerade ältere Darlehensverträge weisen einen, im Vergleich zu heute, hohen Zinssatz auf.

    Beispiel:
    Bei einer fiktiven Kreditsumme von 100.000 EUR zu 4% Zins, mit einer Laufzeit von 10 Jahren, bei voller Zinsbindung und kompletter Tilgung, beträgt die Höhe der Zinszahlungen 21.494,70 EUR.
    Widerruft der Verbraucher diesen teuren Altkredit und wechselt in eine neue Finanzierung mit 1.5% Zins, belaufen sich die Zinszahlungen auf nur noch 7.749,80 EUR.
    In diesem Beispiel ergibt sich durch Erklärung des Widerrufs ein Zinsersparnis von 13.744,90 EUR!

    Der Widerruf eines höher verzinsten Altvertrages bietet daher die Möglichkeit, zu einem deutlich günstigeren Zinssatz die noch bestehenden Restschulden weiter zu finanzieren.
    Die hieraus entstehenden Einsparungen können erheblich sein, sind aber im Einzelfall natürlich abhängig von der Kreditsumme, Laufzeit und dem ursprünglich vereinbarten Zinssatz.

    Wegfall der Vorfälligkeitsentschädigung

    Durch den Widerruf des Immobilienkredits entfällt auch der Anspruch der Bank auf die sog. Vorfälligkeitsentschädigung. Dabei handelt es sich um eine Entschädigungszahlung, die die Bank bei einer frühzeitigen Rückzahlung des Kredites erhebt, um die ihr entgangenen Zinszahlungen auszugleichen.
    So kann der Widerruf des Immobilienkredits genutzt werden, um die Restschuld ohne das Anfallen einer Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen. Daher kann es auch sinnvoll sein, bereits beendete Immobilienkredite noch zu widerrufen. So kann eine bereits bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückgefordert werden!


    Bei welchen Alt-Verträgen ist ein Widerruf des Immobiliendarlehens („Widerrufs-Joker“) möglich?

    Widerrufbar sind Altkreditverträge, die zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden.
    Durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde § 356 b Abs. 2 BGB geändert. Seit dem 21. März 2016 beträgt die maximale Widerrufsfrist für Immobilienkreditverträge 1 Jahr und 14 Tage.
    Demnach können Stand April 2020 neuere Darlehensverträge nur noch widerrufen werden, wenn sie Mitte März 2019 abgeschlossen wurden.


    Welche Risiken hat der Widerruf des Immobilienkredits?

    Akzeptiert die Bank den Widerruf, treffen den Verbraucher die in Ziff. 3 dargestellten Pflichten. So muss ein großer Geldbetrag innerhalb von 30 Tagen an die Bank erstattet werden. Ist der Kunde hierzu nicht in der Lage, droht, sofern die Bank zur Sicherung ihrer Forderung die Immobilie mit einem Grundpfandrecht belastet hat, die Zwangsversteigerung!

    Deshalb muss der Verbraucher vor Erklärung des Widerrufs sicherstellen, dass das notwendige Kapital für die fällige Rückzahlung vorhanden ist. Entweder durch Eigenmittel oder eine feststehende Finanzierung bei einer anderen Bank.

    Plant der Verbraucher einen Widerruf seines bestehenden Immobilienkredits und ist er auf der Suche nach einer neuen Bank für die Weiterfinanzierung, ist dringend anzuraten, über die Widerrufs-Pläne hinsichtlich des Altvertrags gegenüber der neuen Bank nicht allzu lautstark zu tönen. Denn Banken sind von in ihren Augen renitenten Neu-Kunden meist wenig angetan. Dies kann die Suche nach einer günstigen Anschlussfinanzierung ganz erheblich erschweren.

    „Der Widerruf des Immobilienkredits sollte daher niemals leichtfertig und ohne rechtliche Beratung erklärt werden.“

    Wie erfolgt der Widerruf des Immobilienkredits?

    Der Kunde erklärt schriftlich den Widerruf gegenüber der Bank. Die Bank wird den Widerruf des Kunden daraufhin zurückweisen. Dies geschieht meist mit der Begründung, die 14-tägige Widerrufsfrist sei schon lange abgelaufen.

    „Beachten Sie: Stellen Sie Ihre Kreditratenzahlungen nicht einfach einseitig ein – es droht Ihnen im schlimmsten Fall eine Zwangsversteigerung der Immobilie!“

    Nach der Zurückweisung des Widerrufs, sollte ein Rechtsanwalt mit der Durchsetzung Ihrer Interessen beauftragt werden. Dieser wird Ihre Bank zunächst noch einmal anschreiben. Bleibt auch dies ergebnislos, bleibt nur noch die Einreichung einer Klage zur Durchsetzung des Widerrufs.
    Sowohl für die außergerichtliche Tätigkeit als auch für den Klageweg, erhebt der Rechtsanwalt Gebühren. Deren Höhe können, je nach Streitwert, nicht unerheblich sein. Eine Rechtsschutzversicherung ist daher von großem Vorteil, da Ihnen außer der Selbstbeteiligung, ansonsten keine Kosten entstehen.
    Im gerichtlichen Verfahren selbst, besteht freilich auch hier ein Prozessrisiko, also die Gefahr zu unterliegen. Das Urteil des EuGH ist brandneu und es ist noch nicht klar, wie die unteren Instanzgerichte die europäische Entscheidung im Verhältnis zu deutschen Gerichtsurteilen bewerten.


    Wollen auch Sie einen bestehenden Immobilienkreditvertrag widerrufen? Wenden Sie sich noch heute an Ihre Anwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht in Augsburg. Wir prüfen anhand Ihrer Vertragsunterlagen, ob Ihr Darlehen auch heute noch widerrufbar ist und falls ja, welche finanziellen Vorteile Ihnen hieraus entstehen könnten.


    Lesen hier mehr zu den Themen Kredit-Widerruf und Widerrufsjoker:

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