Überstunden

Überstunden

Sie gehören zum Berufsleben wie das Salz in die Suppe – Überstunden. Im Jahr 2018 betrug die Zahl geleisteter Überstunden in Deutschland erstaunliche 2,15 Milliarden Stunden. Nur die Hälfte davon wurde vergütet. Häufig herrscht bei den Arbeitnehmern Unklarheit darüber, ob sie überhaupt Überstunden ableisten müssen, ob und wie diese vergütet werden und in welchem Umfang sie der Arbeitgeber verlangen kann. Dieser Ratgeber beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Thema Überstunden:

Inhaltsverzeichnis
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    1. Was sind eigentlich Überstunden?

    Überstunden liegen vor, wenn die mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird.
    Beträgt die Arbeitszeit nach dem Arbeitsvertrag zum Beispiel 40 Stunden pro Woche und arbeitet der Mitarbeiter ausnahmsweise 45 Stunden, so überschreitet er seine Arbeitszeit um 5 Stunden, leistet also 5 Überstunden.
    Rein formal gibt es keine „geheimen“ Überstunden, also solche von denen der Arbeitgeber gar nichts weiß. Denn Überstunden müssen vom Arbeitgeber entweder angeordnet, genehmigt oder geduldet werden. Will der Arbeitgeber Überstunden seines Arbeitnehmers unterbinden, muss er den betreffenden Mitarbeiter im Zweifel tatsächlich „nach Hause“ schicken. Lässt er ihn hingegen „einfach machen“, kann zumindest von einer Duldung ausgegangen werden.

    2. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet Überstunden abzuleisten?

    Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nicht berechtigt Überstunden zu verlangen. Denn im Arbeits- oder Tarifvertrag wird die Arbeitszeit des Arbeitnehmers festgelegt. Und auch nur diese Arbeit wird bezahlt. Wäre es dem Arbeitgeber einseitig durch Ausübung seines Direktionsrechts möglich, die Arbeitszeit einfach flexibel anzuheben, würden wesentliche Bestandteile des Arbeitsvertrages obsolet. Eine Weigerung des Arbeitnehmers Überstunden abzuleisten, stellt demnach auch insbesondere keinen Kündigungsgrund dar.

    Für ausführliche Informationen lesen Sie hier auch unseren Ratgeber zur Anordnung von Überstunden.

    3. Verpflichtung zum Ableisten von Überstunden

    Eine Verpflichtung Überstunden zu leisten, ergibt sich aber meist aus dem Arbeitsvertrag. Diese enthalten für gewöhnlich Überstundenklauseln, die den Arbeitgeber dazu berechtigen, Überstunden anzuordnen. Entsprechende Überstundenvereinbarungen gibt es auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen.

    4. Müssen Überstunden bezahlt werden?

    Hier gilt zur Überraschung vieler: Grundsätzlich müssen Überstunden bezahlt werden.
    Dies ergibt sich aus § 612 Abs. 1 BGB, wonach eine Vergütung stillschweigend als vereinbart gilt, wenn für die geleistete Arbeit regelmäßig eine Vergütung zu erwarten ist. Weiterhin ergibt sich dies aus dem Arbeitsvertrag selbst. In ihm wird ganz allgemein die Erbringung von Arbeitsleistung gegen Bezahlung vereinbart. Diesem Austauschcharakter würde es widersprechen, mehr Arbeit zu leisten, dafür aber nicht bezahlt zu werden.
    Einen Überstundenzuschlag, also einen höheren Stundensatz für Überstunden, braucht der Arbeitgeber aber nicht zu bezahlen. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem üblichen Stundenlohn. Dafür muss dieser in der Regel aber erst ermittelt werden, da die meisten Arbeitsverträge nur eine Wochenarbeitszeit und einen Monatslohn festschreiben.
    In diesem Fall gilt die Formel:
    (Bruttomonatsgehalt x 3 : 13) : Wochenstunden = Bruttostundenlohn
    Der so errechnete Stundenlohn wird dann einfach mit der Anzahl der Überstunden multipliziert.
    Bsp.:
    Frau Mustermann hat eine arbeitsvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Sie erhält dafür einen Monatslohn von 3.000 € brutto. Frau Mustermann hat im fraglichen Monat 8 Überstunden abgeleistet. Gemäß obiger Formel beträgt ihr Bruttostundenlohn 17,30 €. Für ihre 8 Überstunden stehen ihr demnach 8 Stunden à 17.30 € = 138,40 € zu.

    Jedoch bestehen von dem Grundsatz zu bezahlender Überstunden Ausnahmen. Insbesondere durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen:

    a) Vertragliche Überstundenregelungen

    In vielen Arbeitsverträgen finden sich ausdrückliche Überstundenregelungen.
    Regelmäßig versuchen Arbeitgeber in ihren Formulararbeitsverträgen Überstunden mit dem normalen Lohn abzugelten, dem Mitarbeiter die Überstunden also nicht extra zu bezahlen.
    Solche Regelungen können auch wirksam sein. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer konkret weiß, was maximal auf ihn zukommen kann. Regelungen, die eine völlige offene Anzahl an Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgelten, sind unwirksam (BAG, Urteil vom 22. Februar 2012, Az.: 5 AZR 765/10).
    Zulässig sind jedoch beispielsweise arbeitsvertragliche Vereinbarungen, in denen der Arbeitgeber festsetzt, dass bis zu 20 Überstunden pro Monat mit dem normalen Lohn abgegolten sind (BAG, Urteil vom 16. Mai 2012, Az.: 5 AZR 331/11).

    b) Ausnahme für Führungskräfte

    Etwas anderes gilt jedoch häufig für Führungskräfte, die ein weit überdurchschnittliches Gehalt beziehen. Hier wurde bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden, dass der betroffene Arbeitnehmer seinem Gehalt und seiner Stellung nach, keine Vergütung für die abgeleisteten Überstunden erwarten dürfe (BAG, Urteil vom 17. August 2011, Az.: 5 AZR 406/10).
    Wörtlich heißt es dort: „Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche – objektive – Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit […] über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch gerade bei Diensten höherer Art nicht.“

    c) Freizeitausgleich statt Bezahlung

    Eine sehr beliebte Variante ist das sog. „Abfeiern“ von Überstunden. Hier erhält der Arbeitnehmer anstelle einer Bezahlung für die abgeleisteten Überstunden zusätzlich Freizeit im Umfang der vorher zu viel gearbeiteten Zeit.
    Jedoch ist der Freizeitausgleich kein Urlaub, demnach ist im Falle einer Krankheit kein Nachholen des Abfeierns der Überstunden möglich.
    Auch kann der Mitarbeiter nicht immer selbst bestimmen, wann er die zusätzliche Freizeit in Anspruch nehmen möchte. So kann der Arbeitgeber bei dringenden betrieblichen Gründen den Abbau anordnen, auch wenn der Arbeitnehmer das lieber in einen anderen Zeitraum getan hätte.

    Für ausführliche Informationen lesen Sie hier auch unseren Ratgeber zur Vergütung von Überstunden.

    5. Wer muss Überstunden beweisen?

    Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer in der Beweispflicht. Er muss sowohl die Anzahl der abgeleisteten Überstunden beweisen als auch, dass sie vom Arbeitgeber angeordnet, genehmigt oder geduldet wurden.
    In der Praxis bestreiten Arbeitgeber im Streitfall häufig, Überstunden angeordnet oder genehmigt zu haben. Daher ist es auch bereits vorsorglich dringend anzuraten, die Überstunden ordentlich zu dokumentieren und eine Liste zu führen, aus der sich Tag, Grund und Umfang der Überstunden ergibt.
    Idealerweise sollte der Arbeitgeber diese auch gegenzeichnen und somit die Überstunden offiziell genehmigen. Ist dies nicht möglich, können z.B. Kollegen die Ableistung der Überstunden bestätigen.
    Gelingt es dem Arbeitnehmer im Streitfall nicht seine geleisteten Überstunden nachzuweisen, bleibt er auf den Überstunden „sitzen“.
    Aufgrund mangelhafter Dokumentation der Überstunden, gelingt es Arbeitnehmern bei Arbeitsgerichtsprozessen im Durchschnitt nur etwa ein Viertel der geltend gemachten Überstunden durchzusetzen.

    6. Wann verfallen Überstunden?

    a) Gesetzliche Frist

    Bestehen keinerlei arbeitsvertragliche Regelungen hierzu, beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist drei Jahre (§ 195 BGB). Die Frist beginnt am Ende des Jahres, indem die Überstunden abgeleistet wurden.
    Im Vergleich zu vielen Regelungen in Arbeits- und Tarifverträgen, sind diese drei Jahre großzügig bemessen. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Denn gerade in langjährigen Beschäftigungsverhältnissen verfallen somit alle nicht geltend gemachten Überstunden, mit Ausnahme derjenigen aus den letzten drei Jahren.

    b) Ausschlussfristen in Arbeits- und Tarifverträgen

    Regelungen über den Verfall von Überstunden im Arbeitsvertrag sind zulässig (sog. Ausschlussfristen), auch wenn dabei die gesetzliche Frist erheblich unterschritten wird.
    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 27. Januar 2016, Az.: 5 AZR 277/14Urteil vom 17. Oktober 2017, Az.: 9 AZR 80/17) sind Klauseln in Formulararbeitsverträgen wirksam, in denen Überstunden binnen drei Monaten, nachdem sie geleistet wurden, beim Arbeitgeber geltend gemacht werden und binnen weiterer drei Monate nach der Zurückweisung der Forderung eingeklagt werden müssen (sog. zweistufige Ausschlussfristen). Nach Ablauf dieser Fristen verfallen sie ersatzlos.

    Für ausführliche Informationen lesen Sie hier auch unseren Ratgeber zum Verfall von Überstunden.

    Bei Streitigkeiten über die Bezahlung von Überstunden, aber auch bereits bei der Prüfung von Arbeitsverträgen, sollten Arbeitnehmer aufgrund der komplexen Rechtslage in jedem Fall anwaltlichen Rat einholen. Kontaktieren Sie daher noch heute ihren Anwalt für Arbeitsrecht.

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