Anordnung von Überstunden
Anordnung von Überstunden
Es stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer überhaupt verpflichtet ist, Überstunden zu leisten, der Arbeitgeber sie also verlangen bzw. anordnen kann. Weiterhin ist fraglich, falls der Arbeitnehmer Überstunden leisten muss, in welchem Umfang sie verlangt werden können. Denn ohne Beschränkung wäre es in extremen Fällen zulässig, den Arbeitnehmer ein Vielfaches seiner vertraglich geschuldeten Arbeitszeit arbeiten zu lassen.
1. Gesetzlicher Normalfall
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet Überstunden zu leisten. Denn in dem Arbeits- oder Tarifvertrag, der dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegt, ist bestimmt, wie viele Arbeitsstunden der Arbeitnehmer abzuleisten hat. Nach der Anzahl der geschuldeten Arbeitsstunden richtet sich auch der Lohn. Wäre es dem Arbeitgeber durch Ausübung seines Direktionsrechts, § 106 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO), möglich, die Arbeitszeit einseitig abzuändern, würde der Arbeitgeber hiermit einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsvertrages zu seinen Gunsten abändern können. Dies aber ist unzulässig, da es dann zu einer Störung des Synallagmas des Arbeitsvertrages kommen würde.
Eine Weigerung des Arbeitnehmers Überstunden abzuleisten, würde deswegen insbesondere auch kein arbeitsvertragswidriges Verhalten darstellen.
Etwas anderes ergibt sich bei dringenden betrieblichen Erfordernissen auf Grund der besonderen Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn es um die Abwehr von nicht vorhersehbaren Gefahren für den Betrieb oder sonstige Notfälle geht, z.B. Naturkatastrophen.
2. Normalfall in der Praxis: Verpflichtung durch Arbeits- / Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung
Der gesetzliche Normalfall stellt jedoch in der Praxis die Ausnahme dar, da sich aus den meisten Arbeits- oder Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen eine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden für den Arbeitnehmer ergibt.
a) Arbeitsvertrag
Unabhängig von der Frage der Vergütung der Überstunden, hält eine solche Klausel in einem formularmäßig vorformulierten Arbeitsvertrag, der von den Vertragsparteien also nicht ausgehandelt wurde, § 305 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), einer Inhaltskontrolle, §§ 307 ff. BGB, nur stand, wenn in diesem die maximale Anzahl an abzuleistenden Überstunden normiert ist. Ist eine solche Obergrenze nicht bestimmt, ist die Klausel unwirksam, da dann ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB festgeschrieben ist, vorliegt. Der Arbeitnehmer muss nämlich wissen, welche maximale Arbeitszeit auf ihn zukommen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), Urteil vom 16. Mai 2012, Az.: 5 AZR 331/11, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vertraglich dazu verpflichten, nochmals bis zu 25% seiner regulären Arbeitszeit als Überstunden zu leisten.
b) Tarifvertrag
Auch die allermeisten Tarifverträge enthalten Klauseln, die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber Überstunden anordnen darf.
Gibt es einen Tarifvertrag, der für das Beschäftigungsverhältnis zur gilt, ergeben sich alle
Fragen rund um Überstunden direkt aus dem Tarifvertrag, so dass es einer Regelung im Arbeitsvertrag nicht bedarf.
Aus der Tarifautonomie ergibt sich, dass Tarifverträge allein von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt werden und einer Wirksamkeitskontrolle durch die Rechtsprechung nicht unterliegen. Deshalb sind an diese insbesondere nicht die strengen Maßstäbe des AGB-Rechts anzulegen, welche für Arbeitsverträge gelten.
c) Betriebsvereinbarung
Besteht in einem Betrieb ein Betriebsrat, so hat dieser gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beim Thema Überstunden ein Mitbestimmungsrecht. Einigt er sich in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine vorübergehende Ausweitung der Arbeitszeit, so ergibt sich die Zulässigkeit der Anordnung von Überstunden aus der Betriebsvereinbarung, ersetzt jedoch nicht die Zustimmung des jeweilig betroffenen Mitarbeiters.
Im Übrigen geht der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers einer Betriebsvereinbarung immer vor, wenn der Arbeitsvertrag für den Mitarbeiter günstigere Regelungen enthält. Umgekehrt geht die Betriebsvereinbarung dem Arbeitsvertrag vor, wenn sie für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen beinhaltet.
3. Überstundenobergrenze nach ArbZG
Das Höchstmaß an Überstunden, das angeordnet werden kann, ergibt sich aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Die allgemeine Obergrenze, die täglich gearbeitet werden darf, beträgt 8 Stunden, § 3 S. 1 ArbZG. Die tägliche Arbeitszeit kann allerdings vorübergehend auf 10 Stunden erhöht werden, wenn innerhalb eines
Ausgleichszeitraumes von 6 Monaten bzw. 24 Wochen durchschnittlich 8 Stunden als werktägliche Arbeitszeit eingehalten werden, § 3 S. 2 ArbZG. Dementsprechend kann die wöchentliche Arbeitszeit vorübergehend auf 60 Stunden erhöht werden. In außergewöhnlichen Fällen sind sogar weitere Ausnahmen zulässig, § 14 ArbZG. Auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können Abweichungen vom ArbZG vorsehen.