Corona-Krise

Die Corona-Krise und das Arbeitsrecht

*Hinweis* Bitte beachten Sie, dass bestimmte Informationen dieses Ratgebers möglicherweise nicht mehr aktuell sind!  

Die Corona-Pandemie hält ganz Deutschland fest im Griff. Das öffentliche Leben ist fast vollständig zum Erliegen gekommen, die Innenstädte sind wie leergefegt, Kitas und Schulen bleiben geschlossen, der Hochschulbetrieb ist ausgesetzt, wie auch alle Sportveranstaltungen. Auch im Arbeitsleben ist nichts mehr wie gehabt. Immer mehr Arbeitnehmer verrichten ihre Arbeit nur noch im „Home-Office“. Viele Unternehmen fürchten um ihr wirtschaftliches Überleben und genauso viele Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze. Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen sind derzeit in aller Munde. Auch über diese Aspekte hinaus bringt die Corona-Krise etliche arbeitsrechtliche Probleme mit sich. Dieser Ratgeber beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Thema „Corona-Krise und das Arbeitsrecht“.

Inhaltsverzeichnis
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    1. Wie sollten sich Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern verhalten, die bereits infiziert bzw. erkrankt sind oder zumindest im Verdacht stehen, sich infiziert zu haben?

    Es empfiehlt sich, die Arbeitnehmer anzuweisen, bei Auftreten einschlägiger Krankheitssymptome (laut WHO Fieber, trockener Husten, Abgeschlagenheit) dem Arbeitsplatz fern zu bleiben. Aufgrund der möglichen Infektionsgefahr empfiehlt es sich sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber, bei Auftreten einschlägiger Krankheitssymptome Kontakt mit einem Arzt aufzunehmen. Hierbei sollte der Arzt nicht direkt aufgesucht, sondern vorab telefonisch konsultiert werden. Dasselbe gilt, falls Arbeitnehmer Kontakt mit einer nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Person hatten. Die Arbeitnehmer sollten zudem darum gebeten werden, bei einem positiven Testergebnis umgehend den Arbeitgeber darüber zu informieren.

    2. Haben Arbeitgeber Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz, wenn sich herausstellt, dass mit dem Coronavirus infizierte und eventuell auch schon erkrankte Personen im Betrieb waren? Was gilt bei einem infizierten bzw. erkrankten Arbeitnehmer?

    Zwar handelt es sich bei der Infektion bzw. dem Verdacht einer Infektion mit dem Coronavirus um einen meldepflichtigen Umstand im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), Arbeitgeber treffen jedoch keine eigenen Meldepflichten nach dem IfSG. Zuständig sind vielmehr die mit der Diagnose und Behandlung von Krankheits- und Verdachtsfällen befassten medizinischen Einrichtungen. Sollte ein Arbeitgeber dennoch Kontakt zu einer Gesundheitsbehörde aufnehmen, sind datenschutzrechtliche Pflichten selbstverständlich auch gegenüber der Behörde zu beachten.

    3. Welche sonstigen Maßnahmen können die zuständigen Behörden nach dem Infektionsschutzgesetz anordnen?

    Die zuständige Behörde kann anordnen, dass kranke und möglicherweise einschlägig infizierte Personen in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden (Quarantäne). Falls erforderlich, kann weiterhin ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet werden. Zeitliche Beschränkungen sieht das IfSG insoweit nicht vor. Die Dauer der betreffenden Maßnahme richtet sich letztlich nach der medizinischen Erforderlichkeit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

    4. Ist es Arbeitgebern in der gegenwärtigen Lage erlaubt und ggf. sogar anzuraten, Arbeitnehmer auch ohne entsprechende Anordnung der zuständigen Behörden nach Hause zu schicken?

    Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Beschäftigungsanspruch. Es ist also nicht möglich, sie grundlos „nach Hause zu schicken“. Der Beschäftigungsanspruch besteht aber dann nicht, wenn überwiegende schützenswerte Suspendierungsinteressen des Arbeitgebers vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer eine Gesundheitsgefahr für andere darstellt. Hierfür kann der konkrete Verdacht der Infizierung mit dem ansteckenden Coronavirus genügen.

    Die Beurteilung, wann solch ein konkreter Verdacht vorliegt, ist grundsätzlich dem Einzelfall vorbehalten. Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist von einem konkreten Verdacht nur in folgenden zwei Fällen auszugehen:

    • Grippeähnliche Symptome und Aufenthalt in einem internationalen Risikogebiet bzw. in einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland;
    • Grippeähnliche Symptome und Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person. Ggf. kann das Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellung eines Arbeitnehmers auch bereits unterhalb der konkreten Verdachtsschwelle das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers übersteigen. Dies könnte nach Ermessen des Arbeitgebers im Einzelfall etwa in folgenden Konstellationen der Fall sein:
    • Grippeähnliche Symptome, insbesondere nach Kontakt mit einer infektionsverdächtigen Person;
      • Aufenthalt in einem Risikogebiet ohne grippeähnliche Symptome;
      • Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person ohne grippeähnliche Symptome. In den übrigen Fällen dürfte in aller Regel das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers nicht überwiegen. Zu berücksichtigen ist, dass nach den derzeitigen Einschätzungen des RKI auch bei Symptomfreiheit erst nach Ablauf von etwa 14 Tagen ab Ansteckung mit dem Virus die Infektiosität sicher nicht mehr besteht. Neben einer einseitigen Freistellung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber wäre es ferner denkbar, eine Freistellungsvereinbarung mit dem (potentiell) Infizierten zu treffen, in der dann auch die Frage der Vergütung abweichend geregelt werden kann.

    5. Unter welchen Umständen darf bzw. muss der Betrieb geschlossen werden?

    Das oben bereits näher angesprochene behördliche Tätigkeitsverbot (bzw. auch die Anordnung von Quarantäne) kann faktisch zu einer Schließung des Betriebs führen, wenn alle Arbeitnehmer hiervon betroffen sind.

    Aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung des Arbeitgebers wird eine solche Schließung auch ohne behördliche Anordnung bei Vorliegen bestätigter Krankheits- und/oder Infektionsfälle im Betrieb des Arbeitgebers in Betracht kommen, wenn der ordnungsgemäße und gefahrlose Betrieb mit den verbliebenen Arbeitnehmern nicht mehr aufrecht zu halten ist. Der Arbeitgeber wird insoweit regelmäßig seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber wahrnehmen. Dies ist auch dann möglich, wenn nicht bei jedem Arbeitnehmer die Voraussetzungen für einen konkreten Verdacht vorliegen.

    6. Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)?

    Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer kann auch die Pflicht zur Schaffung geeigneter Abwehrmaßnahmen folgen. Auch hier hängen das „Ob“ und „Wie“ dieser Maßnahmen von der individuellen Risikoabschätzung des Arbeitgebers ab. Die Fürsorgepflicht kann etwa in Regionen mit einer hohen Anzahl nachweislich Infizierter höher sein. Auch die entsprechenden Einzelmaßnahmen liegen im Ermessen des Arbeitgebers. Richtschnur könnten die Empfehlungen des RKI sein. Dieses empfiehlt insbesondere Husten- und Nieß-Etikette, gute Handhygiene und Abstandhalten zu anderen Personen.

    Hierbei könnte der Arbeitgeber die im Betrieb erscheinenden Personen durch entsprechende Aushänge informieren. Das Tragen eines Mundschutzes ist hingegen nach Einschätzung des RKI nicht sinnvoll. Arbeitgeber können – auch dies ist ein unverbindlicher Hinweis – zudem daran denken, berührungsintensive Oberflächen (z. B. Türklinken, Klingeln, Tischoberflächen, Armlehnen etc.) regelmäßig zu desinfizieren.

    7. Wann darf ein Arbeitnehmer berechtigterweise seinem Arbeitsplatz fernbleiben?

    Ein nachweislich erkrankter Arbeitnehmer darf seinem Arbeitsplatz berechtigterweise fernbleiben. Der nicht erkrankte Arbeitnehmer ist hingegen nicht von vornherein deshalb von seiner Arbeitspflicht entbunden, weil er befürchtet, sich auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsplatz selbst anzustecken. In Ausnahmefällen, etwa bei konkretem Infektionsverdacht, kann jedoch Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB vorliegen. Auch dies ist wieder der Abwägung des Arbeitgebers im Einzelfall überlassen. Weiterhin bleibt es selbstverständlich unbenommen, dass Arbeitnehmern durch Gewährung von (Erholungs-)Urlaub eine vorübergehende Abwesenheit vom Arbeitsplatz ermöglicht wird.

    8. Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf „Home-Office“ aufgrund der Corona-Pandemie?

    Arbeitnehmer haben keinen Anspruch, „Home-Office“ zu machen, es sei denn, dies ist im Arbeitsvertrag so vereinbart worden. Einvernehmliche Lösungen in diese Richtung sind natürlich stets möglich. Tritt im Betrieb des Arbeitgebers ein Infektions- oder Verdachtsfall auf, könnte der Arbeitgeber je nach Lage des Einzelfalls auf die sich im „Home-Office“ befindlichen Arbeitnehmer zurückgreifen und somit die Weiterführung des Betriebs sicherstellen.

    9. Kann der Arbeitgeber gegenüber den noch gesunden Arbeitnehmern Überstunden anordnen, um den Ausfall von Arbeitnehmern zu kompensieren?

    Der Arbeitgeber kann in besonderen Notfällen Überstunden einseitig anordnen. Ob ein Notfall vorliegt, kann hierbei etwa an den Maßstäben des § 14 ArbZG beurteilt werden. So dürfte ein solcher Notfall insbesondere vorliegen bei außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten, und bei unaufschiebbaren Fällen, deren Nichterledigung einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würden. Als Ausfluss der Treuepflicht ist der Arbeitnehmer in diesen Situationen gehalten, auch über die arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenanzahl hinaus zu arbeiten. Auch hier bedarf es stets einer Einzelfallprüfung.

    10. Wer trägt das Wegerisiko?

    Können Arbeitnehmer aufgrund von Ausfällen im ÖPNV oder dergleichen die Arbeitsstätte nicht erreichen und dementsprechend ihre Arbeitsleistung nicht erbringen, greift der Grundsatz „kein Lohn ohne Arbeit“. Der Arbeitnehmer hat danach regelmäßig das sogenannte „Wegerisiko“ zu tragen. Realisiert sich das Risiko und ist der Arbeitnehmer aus diesem Grund an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert, entfällt dementsprechend sein Vergütungsanspruch.

    11. Welche Folgen hat es für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er infolge einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt ist?

    Ist ein Arbeitnehmer hingegen infolge einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt, so gilt die gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfalle nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Der Arbeitnehmer behält danach für einen Zeitraum von maximal sechs Wochen seinen Vergütungsanspruch, selbst wenn er an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Ggf. kommt für den Arbeitgeber – abhängig von der Anzahl der Arbeitnehmer – eine Erstattung nach §§ 1, 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) in Betracht. Dabei handelt es sich um eine Entlastungsleistung zugunsten kleinerer Arbeitgeber aufgrund eines gesetzlichen solidarischen Umlageverfahrens (sog. „U1-Umlage“).

    12. Welche Folgen hat eine (noch) symptomfreie Infektion mit dem Coronavirus bzw. ein entsprechender Infektionsverdacht beim Arbeitnehmer für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers?

    Über die mit Symptomen verbundene Erkrankung am Coronavirus hinaus gibt es weitere Situationen, in denen der Arbeitnehmer berechtigterweise von seinem Arbeitsplatz fernbleiben kann. Dies ist etwa in folgenden Fällen denkbar:

    • Nachweisliche Infektion des Arbeitnehmers mit dem Coronavirus;
    • Grippeähnliche Symptome des Arbeitnehmers und Aufenthalt in einem internationalen Risikogebiet bzw. in einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland;
    • Grippeähnliche Symptome des Arbeitnehmers und Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person.

    In diesen Fällen kann der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers im jeweiligen Einzelfall nach § 616 BGB erhalten bleiben. Danach geht der Arbeitnehmer seines Vergütungsanspruches nicht verlustig, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist.

    Liegt ein solcher Fall vor, bleibt es überdies eine Frage des jeweiligen Einzelfalles, für welchen Zeitraum § 616 BGB den Vergütungsanspruch gegebenenfalls aufrechterhält, dies richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor allem nach dem Verhältnis von Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Dauer der Verhinderungszeit. Sollte aufgrund einer bestehenden oder vermuteten Infektion hingegen eine behördliche Maßnahme gegen einen Arbeitnehmer verhängt werden, gelten hinsichtlich der Frage des Fortbestehens des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers allein die Ausführungen zu Frage 16.

    13. Welche Folgen hat ein unberechtigtes Nichterscheinen am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer?

    Erscheint ein Arbeitnehmer ohne Vorliegen einer Erkrankung und ohne sonstigen hinreichenden Grund im vorbeschriebenen Sinne nicht zur Arbeit, entfällt in der Regel sein Vergütungsanspruch gemäß § 326 Abs. 1 BGB. Dem Arbeitgeber bleiben weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen (insbesondere Abmahnung oder ggf. auch eine Kündigung) selbstverständlich vorbehalten.

    14. Welche Folgen hat es für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber in Eigeninitiative den Betrieb schließt?

    Entschließt sich der Arbeitgeber, seinen Betrieb unter Berücksichtigung der vorstehenden Voraussetzungen vollständig zu schließen, wird regelmäßig ein Fall des § 326 Abs. 2 BGB vorliegen, sodass der Arbeitslohn weitergezahlt werden muss. Dies ergibt sich im Übrigen bereits aus dem Grundsatz des Betriebsrisikos, § 615 S. 3 BGB.

    15. Welche Folgen hat es für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er vom Arbeitsplatz fernbleibt, weil er sein Kind aufgrund einer virusbedingten Tagesstätten-/Schulschließung betreut?

    Bleibt ein Arbeitnehmer zu Hause, weil die Tagesstätte bzw. die Schule eines Kindes virusbedingt geschlossen hat, kann dies nur dann gemäß § 616 BGB zu einer Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs führen, wenn die „Betreuung“ durch die Tagesstätte bzw. Schule unvorhersehbar entfällt.

    Bei einer Schließung der entsprechenden Einrichtung dürfte diese Unvorhersehbarkeit in aller Regel vorliegen. Allerdings erstreckt sich § 616 BGB auch in diesem Fall allenfalls auf vorübergehende Ausfälle. Der Arbeitnehmer hat hierbei auch die Pflicht, sein Kind nach Möglichkeit in die Obhut Dritter zu geben. Verglichen mit dem Pflegebedarf tatsächlich erkrankter Kinder dürfte der Betreuungsbedarf eines nicht erkrankten Kindes, welches nur wegen der Schließung einer Betreuungseinrichtung zu Hause ist, deutlich geringer sein.

    In der Regel ist es daher dem Arbeitnehmer auch zumutbar, das Kind – soweit möglich – in die Obhut Dritter zu geben. Kommt der Arbeitnehmer dieser Obliegenheit nicht nach, dürfte ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslohns nach § 616 BGB nicht mehr bestehen.

    16. Welche Folgen ergeben sich für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers im Falle behördlicher Maßnahmen nach dem IfSG?

    Ordnet die nach dem Infektionsschutzgesetz zuständige Behörde Quarantänemaßnahmen oder gar ein Tätigkeitsverbot gegen einzelne Arbeitnehmer an, können ggf. dennoch arbeitsrechtliche „Erhaltungstatbestände“ vorliegen (insbesondere § 3 EFZG und § 616 BGB), wie oben bereits näher ausgeführt.

    Daneben sind ergänzend die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes zu berücksichtigen. Liegen arbeitsrechtliche „Erhaltungstatbestände“ sowie behördliche Anordnungen nach §§ 30 ff. IfSG kumulativ vor, geht der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung von einem Vorrang der arbeitsrechtlichen „Erhaltungstatbestände“ aus (BGH, NJW 1979, 422). Abgesehen davon sehen die §§ 56 ff. IfSG unter gewissen Voraussetzungen Entschädigungsleistungen für betroffene Arbeitnehmer vor, die inhaltlich den Vorschriften des EFZG nachgebildet sind. Selbst wenn eine derartige Entschädigung zu zahlen ist, ändert sich jedoch zunächst weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer etwas.

    Denn nach § 56 Abs. 5 IfSG hat ein Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für 6 Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde an die Arbeitnehmer auszuzahlen. Die Höhe dieser Entschädigungszahlung ist abhängig von den Konditionen des Arbeitsverhältnisses; hierbei gelten gewisse Höchstbeträge. § 56 Abs. 11 IfSG sieht für die Geltendmachung eine recht kurze Frist von 3 Monaten vor.

    17. Hat der Arbeitgeber Erstattungsansprüche (aus Aufopferung) wegen Anordnung behördlicher Maßnahmen nach dem IfSG?

    Der Arbeitgeber kann sich gemäß § 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG auf Antrag von der zuständigen Behörde die in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben erstatten lassen, hierunter dürften auch an die Arbeitnehmer fortzuzahlende Gehälter fallen. Dieser Erstattungsanspruch ist jedoch auch von Billigkeitsgesichtspunkten abhängig.

    18. Hat der Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall wegen Anordnung behördlicher Maßnahmen nach dem IfSG?

    Auch Selbständige können einen Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 IfSG geltend machen; es gelten jedoch Höchstbeträge.

    19. Hat der Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall bzw. Ersatz von Betriebsausgaben aufgrund einer Versicherung?

    Grundsätzlich kann ein pandemiebedingter Betriebsausfall von einer ggf. vom Arbeitgeber abgeschlossenen Versicherung abgedeckt sein. Dies hängt aber vom jeweiligen Versicherungsvertrag ab, sodass diese Frage hier nicht pauschal beantwortet werden kann.

    Es ist nicht ausgeschlossen, dass etwa eine Betriebsausfallversicherung diese Schäden abdeckt. Viele Betriebsausfallversicherungen enthalten jedoch Bereichsausnahmen für Epidemien. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn an die individuelle Erkrankung des Arbeitgebers angeknüpft werden kann. Außerdem existieren explizite Pandemieversicherungen, welche genau dieses Risiko absichern. Aufgrund der recht hohen Prämie dieser Versicherungsart ist es aber unwahrscheinlich, dass diese Spezialversicherungen flächendeckend abgeschlossen wurden.

    Darüber hinaus wird empfohlen, sich auf einschlägigen Internetseiten (z.B. www.rki.dewww.infektionsschutz.dewww.bmas.de) tagesaktuell über die neueren Entwicklungen zu informieren.

    20. Welche Maßnahmen können Arbeitgeber ergreifen, die aufgrund der Corona-Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten?

    Bisher kommen insbesondere drei Maßnahmen in Betracht, derer sich Arbeitgeber bedienen können, wenn sie aufgrund der Corona-Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten. Konkret handelt es sich dabei um:

    • Staatliche Soforthilfen;
    • die Anmeldung von Kurzarbeit;
    • betriebsbedingte Kündigungen.

    21. Gibt es aufgrund der Corona-Pandemie staatliche Hilfen?

    Ja, ein großes Hilfspaket des Bundes ist auf dem Weg. Unklar ist jedoch noch, wo die Hilfen beantragt werden können und wer sie ausbezahlt. Denn der Bund stellt zwar Gelder zur Verfügung, hat in den Bundesländern jedoch keine eigenen Behörden oder Stellen, die er mit der Abwicklung beauftragen könnte.

    Einzelne Bundesländer, so Bayern, haben bereits eigene Hilfsprogramme aufgelegt. Unbürokratisch und schnell soll das Soforthilfeprogramm des Bayerischen Wirtschaftsministeriums finanzielle Hilfen ausbezahlen, wenn das Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie einen Liquiditätsengpass erleidet.  So sollen etwa Unternehmen mit bis zu fünf Arbeitnehmern als Soforthilfe 5.000 EUR bereitgestellt werden, Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten 7.500 EUR. Den Onlineantrag finden Sie hier.

    Daneben sollen weitere Möglichkeiten geschaffen werden, Unternehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie in Schieflage geraten sind, unter die Arme zu greifen. So sind die Bundes- und Landesförderbanken (z.B. KfW) angewiesen, schnell und unbürokratisch Kredite an antragsstellende Unternehmen zu vergeben.

    Auch besteht die Möglichkeit von Steuerstundungen. Die Finanzämter sind angehalten, auf Antrag darauf zu verzichten, die Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer einzuziehen. Gleiches gilt für ansonsten fällige Steuervorauszahlungen. Ansprechpartner ist hier das jeweils zuständige Finanzamt.

    Ebenso kann auf Antrag des Arbeitgebers eine Stundung der Sozialversicherungsbeiträge beantragt werden.

    22. Welche Voraussetzungen hat Kurzarbeit? Wo wird Kurzarbeitergeld beantragt? Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld? Muss Urlaub davor genommen werden?

    Kurzarbeit soll den Bestand eines Unternehmens bei schlechter Auftragslage durch Entlastung von Lohnkosten schützen. Hierbei wird die Arbeitszeit der Beschäftigten vorübergehend reduziert und der Lohn entsprechend gekürzt. Eine einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber ist jedoch nicht möglich. Besteht ein Betriebsrat im Unternehmen, so muss dieser der Kurzarbeit schriftlich zustimmen. Existiert kein Betriebsrat, so muss der Arbeitnehmer der Kurzarbeit selbst zustimmen. Tut er dies nicht und bietet er weiterhin seine volle Arbeitskraft an, bleibt sein ungekürzter Lohnanspruch bestehen.

    Doch Vorsicht: Verweigern der Arbeitnehmer bzw. der Betriebsrat seine Zustimmung zur Kurzarbeit und gerät das Unternehmen in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten, drohen betriebsbedingte Kündigungen.

    Die Bundesagentur für Arbeit bezahlt, falls die Voraussetzungen der Kurzarbeit vorliegen, den Arbeitnehmern ein Kurzarbeitergeld für höchstens 12 Monate. Die Voraussetzungen der Kurzarbeit sind in den §§ 95 ff. SGB III festgelegt. Demnach muss ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, das vorübergehend und unvermeidbar ist. Grundsätzlich sind diese Kriterien durch die Corona-Pandemie erfüllt, sofern diese Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben.

    Aber Achtung: Ein Arbeitsausfall gilt als vermeidbarwenn er durch Gewährung von noch ausstehendem Urlaub verhindert werden kann, § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III. Insofern müssen Arbeitnehmer mit noch offenen Urlaubsansprüchen vorrangig Urlaub nehmen, sofern ihnen dies zumutbar ist. Hier bestehen insbesondere bei Eltern mögliche Vorbehalte, die zwar noch Urlaubstage offen haben, aber diese vorrangig in den Schulferien der Kinder verbrauchen wollen.

    Die Kurzarbeit kann unternehmensweit oder nur in bestimmten Betriebsteilen angeordnet werden. Hierfür kommt es maßgeblich darauf an, in welchen Bereichen ein erheblicher Arbeitsausfall eintritt.

    Der Arbeitsausfall ist der Bundesagentur für Arbeit durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat anzuzeigen. Der Arbeitgeber stellt auch den Antrag auf Kurzarbeitergeld für die betroffenen Arbeitnehmer. Den Antrag finden Sie hier.

    Für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes kommt es maßgeblich auf das gerundete monatliche Nettogehalt des Arbeitnehmers an, wobei das Durchschnittsgehalt der letzten drei Monate maßgeblich ist. Es wird die Differenz gebildet zwischen dem Nettogehalt, dass der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit ausbezahlt bekommen hätte (Soll-Entgelt), und dem Nettogehalt, dass er nunmehr vom Arbeitgeber aufgrund der Verkürzung der Arbeitszeit noch ausbezahlt bekommt (Ist-Entgelt).

    Diese Netto-Entgeltdifferenz übernimmt die Bundesagentur für Arbeit als Kurzarbeitergeld. Jedoch nicht in voller Höhe. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beträgt 60% der Nettolohndifferenz bzw. 67% der Nettolohndifferenz bei Eltern. Das Kurzarbeitergeld ist anders als der Lohn aber steuerfrei.

    Dieses Beispiel soll die Berechnung des Kurzarbeitergeldes verdeutlichen:

    Der alleinstehende Arbeitnehmer X hat eine 40-Stunden-Woche (8h/Tag) und verdient dabei 5.000 EUR netto im Monat.

    Aufgrund der Corona-Krise wird vom Arbeitgeber Kurzarbeit beantragt.

    Arbeitnehmer X muss nurmehr vier Tage die Woche, also 32 Stunden arbeiten. Sein Nettoverdienst sinkt daher um 20% auf 4.000 EUR.

    Die Nettolohndifferenz beträgt daher 5.000 EUR – 4.000 EUR = 1.000 EUR

    Von dieser Nettolohndifferenz trägt die Bundesagentur für Arbeit 60%, also 1.000 EUR x 0.6 = 600 EUR.

    Das Kurzarbeitergeld von X beträgt daher im Beispiel 600 EUR pro Monat.

    23. Wann kommt eine betriebsbedingte Kündigung aufgrund der Corona-Pandemie in Betracht?

    Entgegen der Auffassung einiger Arbeitgeber, kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht einfach mit der grassierenden Corona-Pandemie begründet werden. Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ist vielmehr ein dringendes betriebliches Erforderniskeine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers sowie eine ordnungsgemäße Sozialauswahl.

    In einer betriebsbedingten Kündigung muss demnach konkret begründet werden, warum genau der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wegfallen soll. In Betracht kommen hierfür bestimmte Folgen der Corona-Krise, z.B. ausbleibende Lieferungen durch Zulieferer, finanzielle Probleme oder eine schlechte gesamtwirtschaftliche Situation.

    24. Kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zwingen, während der Corona-Krise ihren Urlaub zu nehmen?

    Ja. Eigentlich sind die Wünsche der Arbeitnehmer bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zu berücksichtigen. Jedoch kann hiervon abgewichen werden, wenn dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen, § 7 Abs. 1 BurlG. Demnach kann, falls der Betrieb durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, der Arbeitgeber durchaus darauf bestehen, dass die Arbeitnehmer ihren Urlaub sofort nehmen. Wurde Urlaub jedoch bereits für einen späteren Zeitraum genehmigt, so kann der Arbeitgeber ohne Zutun des Arbeitnehmers nicht bestimmen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub vorzieht, weil sich aufgrund der Corona-Pandemie etwa die Auftragslage verschlechtert hat.

    25. Hat der Arbeitnehmer Anspruch darauf, bereits gewährten Urlaub zurückzuziehen?

    Nein. Wurde der Urlaubsantrag zum Jahresbeginn eingereicht und genehmigt, hat der Arbeitnehmer jetzt aufgrund der Corona-Krise keinen Anspruch darauf, seinen gewährten Urlaub „zurückzuziehen“. Dies gilt selbst dann nicht, wenn ein geplanter Auslandsaufenthalt nun nicht mehr stattfinden kann (etwa Absage einer Kreuzfahrt). Unbenommen bleibt natürlich die Kulanzlösung, also dass der Arbeitgeber freiwillig die Zurückziehung des Urlaubs gewährt. Womöglich kommt es diesem derzeit selbst sogar entgegen, wenn der Arbeitnehmer in Krisenzeiten seinen Urlaub sogleich aufbraucht.

    26. Kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit des Arbeitnehmers kürzen, weil aufgrund der Corona-Krise Kunden und Aufträge ausbleiben?

    Grundsätzlich ist eine einseitige Verringerung der Arbeitszeit und somit des Lohns durch den Arbeitgeber nicht möglich (siehe auch Frage 22). Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Voraussetzungen einer Änderungskündigung vorliegen. Hierbei wird der bestehende Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber gekündigt und gleichzeitig von ihm ein Angebot unterbreitet, einen neuen Vertrag zu veränderten Konditionen abzuschließen. Da für eine Änderungskündigung nichts anderes als für eine „normale“ Kündigung gilt, braucht der Arbeitgeber auch hier einen Kündigungsgrund (personen-verhaltens-betriebsbedingten Kündigungsgrund). Somit steht dem Arbeitnehmer auch hier die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage offen. Alles zum Thema Kündigung erfahren Sie hier.

    27. Darf der Arbeitgeber anordnen, dass sich Arbeitnehmer auf Corona testen lassen?

    Nein. Ein Anspruch des Arbeitgebers auf Durchführung eines Corona-Tests bei Arbeitnehmern besteht nicht. Vom Direktionsrecht des Arbeitgebers ist dies nicht gedeckt. Ein Arbeitnehmer muss einer entsprechenden Anordnung nicht nachkommen.

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