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Nutzungsausfall für ein verunfalltes Motorrad - Ja oder nein?

Am 23. Januar 2018 urteilte der BGH (Az. VI ZR 57/17), dass der „vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines Motorrads, das dem Geschädigten als einziges Kraftfahrzeug zur Verfügung steht und nicht reinen Freizeitzwecken dient,(…) einen Vermögensschaden darstellt“ und somit „einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung begründen“ kann. Der Umstand, dass das Motorrad nur bei günstigen Witterungsbedingungen genutzt wird, „spielt erst im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung bei der Frage eine Rolle, ob der Geschädigte – auch im Hinblick auf die Wetterlage – zur Nutzung willens und in der Lage war.“

Inhaltsverzeichnis
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    Problemaufriss

    Im zu entscheidenden Fall stieß der Beklagte aus Unachtsamkeit das Motorrad des Klägers um, weshalb dieser das Motorrad 40 Tage nicht nutzen konnte. Während die Haftpflichtversicherung noch für die Reparaturkosten aufkam, verweigerte sie die Zahlung einer Entschädigung für den Nutzungsausfall. Bei ihrer Argumentation verwies sie u.a. auf das herbstliche Wetter, dass eine Nutzung des Motorrades für den Kläger teils unmöglich gemacht habe. Die beiden Vorinstanzen hatten die Klage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung jeweils abgewiesen.

    Grundsätzlich kein Nutzungsausfall für Freizeitfahrzeuge

    Die Nutzungsausfallentschädigung umfasst den Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts. Hierfür gilt aber nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein strenger Maßstab, um der Gefahr zu begegnen, dass die Ersatzpflicht entgegen § 253 BGB auf Nichtvermögensschäden ausgedehnt wird.

    Ein Nutzungsentschädigungsanspruch ist mangels Vermögensschaden in dem Falle nicht gegeben, wenn das Fahrzeug „allein zu Erholungs- oder Sportzwecken genutzt“ wird. „Hiervon ist dann nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung betroffen und entzieht sich daher einer vermögensrechtlichen Betrachtung.“ Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Geschädigte neben dem verunfallten Motorrad noch über einen Pkw verfügt, dessen Benutzung ihm zuzumuten ist.

    Keine Änderung der bisherigen Rechtsprechung: Nutzungsausfall bei Motorrad bleibt die Ausnahme

    Im vorliegenden Fall handelte es sich bei dem Motorrad des Geschädigten aber sein einziges Fahrzeug, das gerade nicht nur zu Freizeitzwecken genutzt wurde. Deshalb sind hier die vom BGH entwickelten Grundsätze, die für die Nutzung von Autos entwickelt wurden, anwendbar.

    Für diese hat der BGH in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung grundsätzlich bejaht. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Pkw stellt ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs die Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln und das Fortkommen im Allgemeinen fördert. Dem steht nicht entgegen, dass es auch um einen Gewinn an Bequemlichkeit geht, da grundsätzlich der Gesichtspunkt der Zeitersparnis im Vordergrund steht. Weiterhin musste der Eigentümer sein Fahrzeug in der fraglichen Zeit auch benutzen wollen und hierzu in der Lage gewesen sein.

    Der Vergleich zeigt, dass der hierin liegende Vorteil dem Nutzer eines Motorrads, der sonst kein anderes Fahrzeug besitzt, ebenso wenig abgesprochen werden kann. Ein Motorrad, das nicht nur zu Freizeitzwecken genutzt wird, dient in diesem Fall ebenfalls dazu Zeit und Kraft zu sparen und eine unabhängige Mobilität zu gewährleisten. Hieraus ergibt sich ebenso eine individuelle Genussschmälerung, die eine Nutzungsausfallentschädigung begründen kann.

    Wetterbedingte Nutzbarkeit des Motorrads erst bei konkreter Schadensbetrachtung relevant

    Auch wenn das Motorrad wetterbedingt nur bei gutem Wetter genutzt werden kann, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis.

    Diese Frage spielt erst bei der konkreten Schadensbetrachtung, bei der Frage, ob der Geschädigte im streitgegenständlichen Zeitraum zur Nutzung willens in der Lage gewesen wäre und der Gebrauchsentzug für ihn „fühlbar“ geworden ist. „Dies erfordert eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf die Wetterbedingungen im maßgeblichen Zeitraum und gilt unabhängig davon, ob die Nutzung des Motorrads über das Jahr betrachtet eher die Regel oder die Ausnahme ist oder der Geschädigte z.B. im Besitz einer Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel ist, die er in dem streitgegenständlichen Zeitraum hätte nutzen können.“
    Die Gebrauchsmöglichkeit eines Motorrads stellt daher einen geldwerten Vorteil dar, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann.

    Unsere Einschätzung

    Im Vergleich zur Entschädigung beim Nutzungsausfall eines Autos scheint dies nur gerecht, da der ausschließliche Besitz eines Motorrads zu keiner anderen Beurteilung gelangen kann, wie der eines Pkw, sofern die Kraftfahrzeuge jeweils nicht ausschließlich zu Freizeitzwecken genutzt werden.

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