Arbeitgeberhaftung

Haftung des Arbeitgebers

Durch ein gesundes Sicherheitsbewusstsein des Arbeitgebers und dementsprechende Vorkehrungen lässt sich das Risiko von Unfällen am Arbeitsplatz zweifellos verringern. Gänzlich ausschließbar sind sie aber selbst in einem ordentlichsten Betrieb nicht. Dies gilt insbesondere für handwerkliche und technische Arbeiten. Tritt schließlich doch einmal „der Fall der Fälle“ ein, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Arbeitgeber für die Schäden haftet, die der Arbeitnehmer bei Kunden verursacht oder selbst erleidet. Dieser Ratgeber beantwortet die wichtigsten Fragen rum um die Haftung des Arbeitgebers:

Inhaltsverzeichnis
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    1. Was versteht man unter dem Begriff der Arbeitgeberhaftung?

    Bei der Arbeitgeberhaftung geht es um die Frage, inwieweit der Arbeitgeber haftet, wenn der Arbeitnehmer einem Dritten, etwa einem Kunden des Arbeitgebers, einen Schaden zufügt (Außenverhältnis) oder der Arbeitnehmer selbst während der Arbeit oder im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit einen Schaden erleidet (Innenverhältnis). Insbesondere geht es hierbei um Sach- oder Personenschäden.

    2. Wann haftet der Arbeitgeber für Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers gegenüber Dritten (Außenverhältnis)?

    a) Verstoß gegen Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Kunden (vertragliche Haftung)

    Setzt ein Arbeitgeber zur Erfüllung seines Vertrages mit dem Kunden Arbeitnehmer ein und verstoßen diese derart gegen vertragliche Pflichten, dass dem Kunden daraus ein Schaden entsteht, dann haftet der Arbeitgeber für seinen Mitarbeiter, als würde er den Vertrag mit dem Kunden höchstpersönlich erfüllen (sog. vertragliche Haftung).

    Der Arbeitnehmer übernimmt auf Veranlassung des Arbeitgebers dabei nur die Aufgabe, die der Arbeitgeber gegenüber dem Kunden selbst schuldet (sog. Leistungspflichten). Vereinfacht gesprochen, findet hier lediglich ein „Outsourcing“ hinsichtlich derjenigen Person statt, die für den Arbeitgeber den Vertrag mit dem Kunden erfüllt. Der Arbeitnehmer ist dabei sog. Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers (§ 278 BGB), der im Pflichtenkreis des Arbeitgebers tätig wird. Der Arbeitgeber haftet für seine Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen in gleichem Umfang wie für sich selbst. Dem Arbeitgeber wird das Verschulden des Arbeitnehmers also im gleichen Umfang zugerechnet.

    Im Verhältnis zum Kunden haftet der Arbeitnehmer in diesem Fall selbst gar nicht. Es bleibt bei einer alleinigen Arbeitgeberhaftung. Ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Innenverhältnis den Schaden, den er dem Kunden zugefügt, ganz oder teilweise erstatten muss, richtet sich nach den Maßstäben des sog. innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Lesen Sie hierzu unseren Ratgeber zur Haftung des Arbeitnehmers.

    b) Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, etc. (deliktische Haftung)

    Verletzt der Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner Aufgabe aber etwa den Kunden körperlich (sog. deliktische Haftung), dann haftet der Arbeitgeber für die Schäden, die sein Arbeitnehmer als sog. Verrichtungsgehilfe verursacht, nur dann, wenn ihn ein eigenes Auswahl- und Überwachungsverschulden trifft (§ 831 BGB). Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung liegt nur dann vor, wenn er seinen Arbeitnehmer im Bewerbungsverfahren oder bei der Zuweisung einer bestimmten Aufgabe nicht sorgfältig ausgewählt (Selektionsverschulden) oder überwacht (Überwachungsverschulden) hat.

    Trifft indes kein Auswahl- und Überwachungsverschulden, dann haftet der Arbeitgeber nicht (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). Eine Arbeitgeberhaftung kommt dann nicht in Betracht. Auf ein eigenes Verschulden des Arbeitnehmers kommt es indes nicht an. Der Schaden muss jedoch bei der Arbeit entstanden sein. Der Arbeitgeber haftet also für keine Schäden, die der Arbeitnehmer ohne jedweden Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verursacht.

    Beispiel: Maler M begeht auf dem Nachhauseweg nach Feierabend eine sexuelle Belästigung gegenüber einer Mitreisenden in der Straßenbahn.

    Lösung: Da vorliegend kein Bezug zu dem Aufgabenbereich ersichtlich ist, der dem Maler M von seinem Arbeitgeber zugewiesen wurde, kommt eine Arbeitgeberhaftung nicht in Betracht.

    Im Verhältnis zum Kunden haften Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner nebeneinander (§ 840 Abs. 1 BGB), wenn beide ein Verschulden trifft. Der Kunde kann sich dann aussuchen, wer ihm seinen Schaden ersetzen soll, wobei er die Forderung freilich nur einmal durchsetzen kann. Im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer findet, entgegen dem Wortlaut des § 840 Abs. 2 BGB, auch hier ein innerbetrieblicher Schadensausgleich statt. Lesen Sie hierzu unseren Beitrag zur Haftung des Arbeitnehmers.

    3. Wie haftet der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen (Innenverhältnis)?

    a) Arbeitgeberhaftung für Personenschäden

    So sehr die Antwort überraschen mag, der Arbeitgeber haftet grundsätzlich nicht für Personenschäden an der Person des Arbeitnehmers. Erleidet der Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall und verletzt er sich dabei, so greift grundsätzlich der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII. Anstatt dem Arbeitgeber haftet dann alleine die gesetzliche Unfallversicherung.

    Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsunfall fahrlässig verursacht hat, in dem er etwa gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen hat (z.B. Arbeitgeber stellt keine Sicherheitsschuhe zur Verfügung). Dieser Ausschluss der Arbeitgeberhaftung erstreckt sich auch auf einen Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

    Der Haftungsausschluss des Arbeitgebers entfällt nur wegen Vorsatzes, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsunfall gewollt oder für den Fall des Eintritts zumindest gebilligt hat. Der Vorsatz des Arbeitgebers muss sich dabei nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen. Auch begründet die vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften, auf die der Arbeitsunfall zurückzuführen war, keine Haftung des Arbeitgebers.

    b) Arbeitgeberhaftung für Sachschäden

    aa) Haftung bei Verschulden

    Unter einem Sachschaden sind alle Schäden zu verstehen, die keine Personenschäden sind und die eine Vermögenseinbuße beim Arbeitnehmer verursachen. Für solche Sachschäden haftet der Arbeitgeber, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat und der Sachschaden auf einem untypischen Schaden beruht.

    Beispiele:

    • Abgenutzte Arbeitskleidung beispielsweise zählt nicht dazu, weil dies zu den normalen Vermögenseinbußen gehört, die typischerweise mit der Verrichtung der Arbeit einhergehen. Beschädigte Arbeitskleidung wegen Feuchtigkeit in den Umkleideräumen und Spinden sind allerdings untypische Schäden, die der Arbeitnehmer nicht hinnehmen muss. Trifft den Arbeitgeber für die Feuchtigkeit dann auch noch ein Verschulden, dann haftet er im Rahmen der Arbeitgeberhaftung.
    • Ein untypischer Schaden liegt etwa auch dann vor, wenn dem Arbeitnehmer persönliche Gegenstände während der Arbeit gestohlen oder zerstört wurden. Schuldhaft handelt der Arbeitgeber etwa dann, wenn er keine abschließbaren Schränke zur Verfügung stellt, die Betriebsstätte nicht ausreichend sichert oder andere Unsicherheitsfaktoren vorhanden sind, die der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Es kommt dann zur Arbeitgeberhaftung.
    bb) Haftung ohne Verschulden

    Der Arbeitgeber haftet gemäß § 670 Abs. 1 BGB analog auch ohne Verschulden für Sachschäden, die der Arbeitnehmer erleidet, wenn sich der Vorfall nicht im Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern im Betätigungsbereich des Arbeitgebers ereignet hat. 

    (1) Haftet der Arbeitgeber für Beschädigungen am eigenen Fahrzeug bei einer Dienstreise?

    Beispiel: Arbeitnehmer A erleidet auf dem Rückweg einer Dienstreise einen Verkehrsunfall. Ihm wurde dabei angewiesen, dass er aus Kostengründen die Fahrt mit seinem Privatfahrzeug machen solle. Es kommt zu einem Schaden am Fahrzeug. Wer haftet hier?

    Lösung: Der Arbeitgeber haftet hier gemäß § 670 BGB analog. Die Fahrt ist dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu aufgefordert hat, das eigene Fahrzeug für die Dienstreise zu nutzen. Außerdem hätte der Arbeitgeber ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit seine Unfallgefahr selbst tragen müssen.

    Etwas anderes würde gelten, wenn der Arbeitgeber das erhöhte Risiko des Arbeitnehmers abgegolten hat, etwa durch Zahlung einer Kilometerpauschale zwecks Versicherung des Risikos. Dies ist eine Frage der Auslegung, wobei die Höhe der Pauschale eine große Rolle spielt. Eine Haftung wäre auch ausgeschlossen, wenn es dem Arbeitnehmer freigestellt war, ob er mit dem eigenen Auto oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Gleiches gilt für einen technischen Defekt am Fahrzeug. In den letztgenannten Beispielen wäre die Autofahrt nicht dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzuordnen.

    (2) Was gilt für Unfälle auf dem Weg zur Arbeit und zurück?

    Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer, soweit keine abweichenden Vereinbarungen vorliegen, seine Aufwendungen für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte selbst zu tragen. Hierzu gehören auch Schäden an seinem Fahrzeug. Denn es ist Sache des Arbeitnehmers, wie er den Weg zur Arbeit zurücklegt. Die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz sind erforderliche Handlungen des Arbeitnehmers, um die geschuldete Tätigkeit am Arbeitsplatz aufnehmen zu können.

    (3) Was gilt bei Rufbereitschaft des Arbeitnehmers?

    Der Betätigungsbereich des Arbeitgebers ist wiederum dann berührt, wenn der Arbeitnehmer während seiner Rufbereitschaft vom Arbeitgeber aufgefordert wird, seine Arbeit anzutreten und er die Benutzung seines Privatfahrzeugs für erforderlich halten durfte, um rechtzeitig am Arbeitsort zu erscheinen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Benutzung des Privatwagens nicht den Interessen des Arbeitgebers dient, weil der Arbeitnehmer z.B. zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln schneller zur Arbeit gelangen könnte als mit seinem Privat-Pkw oder weil er sich in einer den Sinn und Zweck der Rufbereitschaft gefährdenden Entfernung vom Arbeitsort aufhält und nur deshalb auf sein Privatfahrzeug angewiesen ist.

    (4) Was gilt bei Betriebsparkplatzschäden?

    Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Pkw u.U. auch dann im Betätigungsbereich des Arbeitgebers eingesetzt, wenn er zwischen zwei Dienstfahrten bereitsteht. Wenn es notwendig ist, den Wagen für die nächste Dienstfahrt bereit zu halten, muss der Arbeitgeber also auch Schäden ersetzen, die andere am parkenden Fahrzeug verursachen. Eine analoge Anwendung des § 670 BGB kommt dagegen nicht in Betracht, wenn das Fahrzeug des Arbeitnehmers für den Weg zur Arbeit benutzt wird und auf dem Firmenparkplatz von Dritten beschädigt wird.

    (5) Was gilt bei Straftaten des Arbeitnehmers?

    Straftaten des Arbeitnehmers, die dieser lediglich bei Gelegenheit einer betrieblich veranlassten Tätigkeit begeht (auch etwa Straßenverkehrsdelikte des Lkw-Fahrers) sind auch seinem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Selbst eine Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei der Arbeitsausübung auferlegte Geldstrafen zu übernehmen, wäre regelmäßig nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Sie läuft dem Sinn und Zweck der Straf- und Bußgeldvorschriften zuwider und ist geeignet, die Hemmschwelle des Arbeitnehmers, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu begehen, herabzusetzen.

    (6) Was gilt, wenn den Arbeitnehmer ein Mitverschulden trifft?

    Trifft den Arbeitnehmer ein Mitverschulden am Arbeitsunfall, so kann der Anspruch gemäß § 670 BGB analog gekürzt werden oder gar entfallen. Zugunsten des Arbeitnehmers gilt hier wiederum die Haftungsprivilegierung, der sog. innerbetriebliche Schadensausgleich. Lesen Sie hierzu: Die Haftung des Arbeitnehmers. Inwieweit der Arbeitnehmer mithaftet, hängt vom Grad seines Verschuldens ab. Folglich entfiele eine Mithaftung des Arbeitnehmers, wenn er mit nur leichtester Fahrlässigkeit gehandelt hätte. Bei mittlerer Fahrlässigkeit hätte er Anspruch auf Teilersatz. Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz entfällt die Haftung des Arbeitgebers hingegen grundsätzlich ganz.

    (7) Wer hat die Beweislast für das Mitverschulden des Arbeitnehmers?

    Nach Ansicht des BAG muss der Arbeitnehmer ausreichend konkret vortragen und ggf. beweisen, dass er nicht (grob) fahrlässig gehandelt hat. Begründet wird dies damit, dass eine erforderliche Aufwendung i.S.d. § 670 BGB nur unter Ausschluss eines bestimmten Verschuldens vorliegen könne. Da mithin für einen unbeschränkten Aufwendungsersatzanspruch Voraussetzung sei, dass der Arbeitnehmer den Schaden nicht grob fahrlässig herbeigeführt hat, treffe diesen auch die Darlegungslast für Umstände, die eine grob fahrlässige Schadensverursachung ausschließen.

    4. Kann die Haftung des Arbeitgebers im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden?

    Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Haftung für fahrlässige oder vorsätzliche Personenschäden vertraglich auch nicht ausschließen.

    Aber auch die Haftung für Sachschäden können im Arbeitsvertrag nicht wirksam ausgeschlossen werden. Dies liegt daran, dass Klauseln in Arbeitsverträgen regelmäßig als allgemeine Geschäftsbedingungen angesehen werden. Ein Haftungsausschluss für vorsätzliche Schäden ist immer unzulässig, vgl. § 276 Abs. 3 BGB. Ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit ist in Arbeitsverträgen wegen § 309 Nr. 7 b BGB unzulässig. Ein Haftungsausschluss für normale Fahrlässigkeit stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist ebenfalls unzulässig, sofern keine besonderen Umstände den Haftungsausschluss rechtfertigen, § 307 Abs. 1 BGB.

    Denkbar ist deshalb regelmäßig nur eine summenmäßige Begrenzung für Sachschäden. Hierbei kommt es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an, ob die entsprechende Klausel später tatsächlich wirksam ist.

    Sie haben Fragen zu einem Schadensfall in Ihrem Arbeitsverhältnis? Egal ob es um die Durchsetzung oder die Abwehr von Schadensersatzansprüchen geht, Ihre Anwälte für Arbeitsrecht aus Augsburg beraten und unterstützen Sie gerne bei Ihrem Fall. Kontaktieren Sie uns.

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