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BGH zum Reiserücktritt bei erheblicher Änderung der Reiseleistung

Fällt die Besichtigung weltberühmter Sehenswürdigkeiten aus, so stellt dies eine erhebliche Änderung der Reiseleistung dar und berechtigt zum Reiserücktritt. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 16. Januar 2018 (Az. X ZR 44/17).

Inhaltsverzeichnis
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    Problemaufriss

    Bei Buchungen von sog. Pauschalreisen kommt es aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen Buchung und Reiseantritt oft noch zu Änderungen der Reiseleistungen, die der Reiseveranstalter selbst nicht vorhergesehen hat.
    Mit den Folgen nachträglicher Leistungsänderungen bei Pauschalreisen musste sich der BGH in der vorgenannten Entscheidung auseinanderzusetzen.

    Zulässigkeit von Leistungsänderungen

    Nachträgliche Leistungsänderungen sind, abgesehen von geringfügigen nach § 242 BGB vom Reisenden hinzunehmenden Abweichungen, einseitig nur zulässig, wenn der Reisevertrag eine entsprechende Änderungsklausel im Reisevertrag enthält und die Änderung unerheblich ist (§ 651 f Abs. 2 BGB n.F.). Dieser Gesetzeswortlaut gilt so jedoch erst seit dem 01. Juli 2018.

    Bislang gab es eine entsprechende Regelung nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung waren Änderungen zulässig, wenn es in den allgemeinen Reisebedingungen eine entsprechende Klausel gab und die Leistungsänderungen zumutbar waren (§ 308 Nr. 4 BGB). Zumutbar waren Leistungsänderungen dann, wenn sie den Gesamtcharakter der Reise nicht veränderten und aufgrund von Umständen notwendig wurden, die nach Vertragsschluss eintreten sind und vom Reiseveranstalter nicht vorhersehbar waren.

    Rücktrittsmöglichkeit des Reisenden

    Dagegen ist der Reisende im Falle einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als acht Prozent oder im Falle einer „erhebliche(n) Änderung einer der wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen“ gemäß 651 g Abs. 1 BGB n.F. BGB zum Rücktritt berechtigt.

    Bislang regelte dies § 651 a Abs. 5 S. 2 a.F. BGB. Danach war ein Rücktritt von der Reise im Falle der Erhöhung des Reisepreises um mehr als fünf Prozent oder im Falle einer „erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung“ möglich. Weder in der alten noch in der neuen Gesetzesfassung findet sich allerdings eine Legaldefinition, was unter der jeweils genannten Erheblichkeit zu verstehen ist.

    Die vorgenannte Entscheidung des BGH erging noch zu der bis zum 30. Juni 2018 gültigen Fassung des § 651 a Abs. 5 S. 2 a.F. BGB. Da jedoch auch nach dem neuen Gesetzeswortlaut nicht definiert ist, was unter einer „erheblichen Änderung“ der Reiseleistung zu verstehen ist, tut dies der Relevanz der Entscheidung keinen Abbruch.

    Nach Auffassung des BGH kann die Änderung einer Reiseleistung, wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, als erheblich angesehen werden, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt.

    Ob dies der Fall ist, ist in einer Einzelfallabwägung zu entscheiden. Zwar ist die Frage des Kündigungsrechtes grundsätzlich unabhängig davon, ob der Reiseveranstalter zur Änderung der Reiseleistung berechtigt war.

    Für die Frage der Erheblichkeit der Änderung kann dies jedoch von Bedeutung sein. Grundsätzlich gilt: Auch wenn die Leistungsänderung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar und damit zulässig war, kann sie gleichwohl das vereinbarte Leistungsspektrum so verändern, dass dem Reisenden das Recht zugestanden werden muss, von dem Reisevertrag Abstand zu nehmen. Ist die Änderung dagegen nicht wirksam vereinbart, muss das Interesse des Reiseveranstalters grundsätzlich zurückstehen.

    Zum konkreten Sachverhalt

    In dem vom BGH zu entscheidenden Fall verlangte ein Paar vom beklagten Reiseveranstalter die Erstattung des gezahlten Reisepreises nach erklärtem Rücktritt vom Vertrag. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine 14 – tägige China-Rundreise. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hieß es in Abschnitt 15 I 1:

    „Wenn die bestätigten Angebote oder Dienstleistungen nicht mehr vor der Abreise oder nach der Ankunft am Zielort möglich sind, behält sich die Beklagte das Recht vor, vergleichbare Angebote oder Dienstleistungen (z.B. Flug durch Hochgeschwindigkeitszug) zur Verfügung zu stellen.“

    Nach dem Reiseverlauf sollten unter anderem bei dem 3 – tägigen Aufenthalt in Peking der Platz des himmlischen Friedens und die verbotene Stadt besichtigt werden. Den Klägern wurde vor Reiseantritt von der Beklagten mitgeteilt, dass aufgrund einer Militärparade die verbotene Stadt und der Platz des himmlischen Friedens in Peking nicht besichtigt werden könnten. Stattdessen wurde ein Besuch des Yonghe-Tempels angeboten. Daraufhin erklärten die Kläger den Rücktritt vom Reisevertrag. Sowohl das AG als auch das LG gaben der Klage statt.

    Auch der BGH kam in seinem Urteil zu der Folgerung, dass die Beklagte nicht zu der Änderung berechtigt war, da die Klausel der Inhaltskontrolle des § 308 Nr. 4 BGB nicht standhalte. Hiernach sind nur solche Leistungsänderungen zulässig, die für den Reisenden zumutbar sind. Die Interessensabwägung der Beteiligten ging dabei zu Lasten der Beklagten. Hierbei ist einerseits zwar zu berücksichtigen, dass der Reiseveranstalter aufgrund der oftmals frühzeitigen Buchungen von der tatsächlichen Durchführbarkeit der angebotenen Besichtigungen abhängig ist, womit unwesentliche Reiseleistungen hingenommen werden müssen, solange sie den Gesamtzuschnitt der Reise unberührt lassen oder durch eine gleichwertige Leistung ersetzt werden.
    Dies komme aber nach Ansicht des BGH in der Klausel nicht zum Ausdruck, da die Klausel zum einen keinerlei sachliche Grenzen für die Leistungsänderungen enthält, zum anderen sie auch den Fall erfasst, dass der Reiseveranstalter den Änderungsgrund schon bei Vertragsschluss kannte oder jedenfalls hätte kennen müssen.
    Damit lag keine vertragliche Grundlage für die Leistungsänderung vor. Die Leistungsänderung war den Reisenden damit schon nicht zumutbar.
    Darüber hinaus ergibt die Gesamtabwägung vorliegend, dass es sich um eine erhebliche Änderung des Gesamtcharakters der Reise nach § 651 a Abs. 5 S. 2 a.F. BGB handelt. Nach Auffassung des BGH kann die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung, wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, schon dann als erheblich angesehen werden, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt. Der vorgesehene Besuch der verbotenen Stadt und des Platzes des himmlischen Friedens ist nicht nur in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht geändert worden, sondern vollständig entfallen, womit es sich nicht um eine unwesentliche, hinzunehmende Änderung, sondern um eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Reisenden handelte. Darüber hinaus handelt es sich bei den beiden Sehenswürdigkeiten um eine der bekanntesten in ganz Peking und der vorgesehene Besuch stellte damit das zentrale Element des Pekingaufenthaltes dar. Im vorliegenden Fall stand den Klägern damit ein Rücktrittsrecht zu.

    Fazit

    Der BGH differenziert also klar zwischen der Frage der Zulässigkeit einer Leistungsänderung einerseits und dem Rücktrittsrecht des Reisenden nach § 651 a Abs. 5 S. 2 a.F. BGB andererseits. Es kann durchaus ein Rücktrittsrecht bestehen, obwohl wirksam ein Leistungsänderungsrecht vereinbart wurde. Fehlt andererseits ein Änderungsvorbehalt, bedeutet dies jedoch wiederum auch nicht, dass dem Reisenden in jedem Fall ein Rücktrittsrecht zusteht. Es kommt nach dem BGH immer auf eine Gesamtwürdigung an, wobei auf die erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung abgestellt wird. Diese Erheblichkeit geht dabei über das Vorliegen eines bloßen Mangels hinaus.
    Es handelt sich um eine seitens der Reisenden zu begrüßende Klarstellung der Möglichkeit für einen Reiserücktritt bei nachträglich einseitiger Leistungsänderung durch den Reiseveranstalter. Für die Reiseveranstalter selbst dürften dadurch künftig nachträgliche Leistungsänderungen nicht leichter werden.

    Für ab dem 01. Juli 2018 abgeschlossene Reiseverträge gilt das „neue“ Pauschalreiserecht. Demnach werden dann die Änderungsklauseln nicht mehr am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB, sondern vor dem Hintergrund des § 651 f Abs. 2 n.F. zu prüfen sein. Das Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit wird damit künftig entfallen. Dafür wird schon im Rahmen der Änderungsberechtigung zu prüfen sein, ob die Änderung „unerheblich“ ist. Im zweiten Schritt verläuft die Prüfung des Kündigungsrechts dann ähnlich wie im vom BGH zu entscheidenden Fall. In Zukunft wird nur, anstatt wie bisher gem. § 651 a Abs. 5 S. 2 BGB a.F. auf die „erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung“ nach § 651 g Abs. 1 S. 3 BGB n.F. nun auf eine „erhebliche Änderung einer der wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen“ abzustellen sein. Im Kern werden die vom BGH entwickelten Grundsätze daher auch nach der neuen Rechtslage fortgelten.

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