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Illegale Autorennen – Können Raser Mörder sein?

Immer wieder kommt es zu illegalen Autorennen, bei denen es im schlimmsten Fall zur Tötung von unbeteiligten Personen kommt, wenn sich die sog. „Raser“ nächtliche Hochgeschwindigkeitsfahrten von bis zu 170 km/h innerorts leisten. Der 4. Strafsenat des BGH hat zuletzt über die Revisionen in drei sog. „Raser – Fällen“ entschieden. Jüngst entschied er in seinem Urteil vom 1. März 2018, Az. 4 StR 311/17, über den „Berliner-Raser-Fall“. Dabei ging es um die Tötung eines unbeteiligten Verkehrsteilnehmers, der im falschen Moment eine Kreuzung passierte und mit einem der am Autorennen beteiligten Fahrzeuge, das mit einer Geschwindigkeit von ca. 140 – 170 km/h in die Kreuzung einfuhr, zusammenstieß. Doch handelt es sich hierbei um Mord? Das LG Berlin nahm dies an und verurteilte die beiden Angeklagten zu einer lebenslangen Haftstrafe (Urteil vom 27. Februar 2017,(535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16)). Nun hat der BGH in der Revision die Verurteilung wegen Mordes aufgehoben und festgestellt, dass es sich hierbei „nur“ um fahrlässige Tötung handelt. Diese Entscheidung des BGH stieß in der Öffentlichkeit auf große Kritik. Warum jedoch ist nach Ansicht des BGH eine Verurteilung wegen Mordes aufzuheben? Der objektive Mordtatbestand wäre jedenfalls erfüllt, da das Auto bei der Tötung eines Menschen als gemeingefährliches Mittel angesehen werden kann.

Inhaltsverzeichnis
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    Abgrenzung von bedingtem Vorsatz zur bewussten Fahrlässigkeit

    Das zentrale Problem, das den „Raser – Fällen“ zu Grunde liegt, ist immer wieder die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit. Die Abgrenzung bereitet insofern Schwierigkeiten, da beide Fallgruppen hinsichtlich der Abgrenzungskriterien eng beieinander liegen. Grundsätzliche Kriterien, die hier herangezogen werden, sind einmal die kognitive Einschätzung (sog. „Wissenselement“) und zusätzlich die innere Einschätzung, eine Bewertung des Täters (sog. „Wollenselement“). Bezüglich der kognitiven Einschätzung kommen beide Fälle zum gleichen Ergebnis, dass nämlich der Täter die Tatbestandsverwirklichung als möglich ansieht. Der umso wichtigere Unterschied ist innerhalb des „Wollenselements“ zu sehen. Beim Eventualvorsatz nimmt der Täter den für möglich gehaltenen Erfolgseintritt hin und findet sich damit ab. Bei der bewussten Fahrlässigkeit hingegen vertraut der Täter darauf, dass der Erfolg nicht eintritt.
    Problematisch ist hierbei jedoch, dass dies nicht pauschal so gelten kann, da nicht alle Menschen alle Situationen derart bewerten und es auch dazu kommen kann, dass beispielsweise gar keine Risikobewertung vorgenommen und überhaupt keine innere Einstellung gebildet wird. Dies kann gerade durch den Einfluss von Neurotransmittern wie Adrenalin befördert werden.
    Der BGH setzte sich in seinem Urteil mit dieser Problematik jedoch gar nicht auseinander, sondern stellte nach den bewährten Grundsätzen fest, dass beim Einfahren in die Kreuzung noch kein bedingter Tötungsvorsatz vorlag, es sich daher nur um bewusste Fahrlässigkeit handeln konnte. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Täter kurz vor dem Zusammenstoß absolut unfähig war, zu reagieren, was darauf hindeute, dass es zu diesem Zeitpunkt an einer Handlung fehlte. Das Geschehen war demnach zu diesem Zeitpunkt bereits unumkehrbar in Gang gesetzt, noch bevor die für die Annahme des Tötungsvorsatzes erforderliche Vorstellung bei den Angeklagten überhaupt entstanden war. Einen Vorsatz bei bereits bei Besteigen des Autos anzunehmen, ist nach Ansicht des BGH ebenfalls nicht ersichtlich. Es fehle daher an einem ursächlichen, von einem Tötungsvorsatz getragenem Verhalten.
    Im vorliegenden Fall hat der BGH deshalb nicht Mord, sondern fahrlässige Tötung angenommen.

    Eigengefährdung als Indiz für bewusste Fahrlässigkeit

    Für die Annahme bewusster Fahrlässigkeit spricht nach Ansicht des BGH auch das Indiz der Eigengefährdung. In dieser könne ein Indiz liegen, dass der Fahrer auf einen guten Ausgang vertraut. Dieses hatte die Vorinstanz mit der Begründung noch mit dem Argument verneint, dass sich die Angeklagten in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt und eine Eigengefährdung ausgeblendet hätten. Der BGH sieht hierin allerdings im Hinblick auf die erheblichen Verletzungen der Angeklagten und der tödlichen Verletzung der Beifahrerin des einen Angeklagten einen Widerspruch. Außerdem sei die Annahme, die Täter hätten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt, nicht in der erforderlichen Weise belegt.

    Gemeinsamer Tatplan bezüglich der Tötung eines Menschen

    Für rechtsfehlerhaft erachtet der BGH letztlich auch die Verurteilung des Angeklagten als Mittäter, dessen Fahrzeug nicht mit dem des Unfallopfers kollidiert ist. Zwar sei das Rennen von einem gemeinsamen Entschluss getragen gewesen, für die Annahme von Mittäterschaft müsse aber der Tatplan auf den Tod eines Menschen gerichtet gewesen sein. Bei der Vereinbarung, ein illegales Autorennen durchzuführen, fehle es aber an einem gemeinsamen Tötungsplan.
    Übersehen wird bei der Argumentation des BGH, dass der Tatplan bei der Mittäterschaft nur eine mittelbare Rolle spielt, neben der arbeitsteiligen Vorgehensweise. Entscheidendes Kriterium ist die Tatherrschaft. Hieran kann aber nicht gezweifelt werden, da das gesamte Geschehen bis zum tödlichen Unfall von beiden Fahrern gleichermaßen „in den Händen gehalten“ wurde. Kurz gesagt wäre der eine, ohne den anderen zu diesem Zeitpunkt auch langsamer gefahren und hätte das Gaspedal nicht bis zum Anschlag durchgedrückt.

    Fazit

    Moralisch mag es einfach erscheinen, Raser als Mörder abzustempeln, da aufgrund ihres rücksichtslosen Verhaltens im schlimmsten Fall unschuldige Menschen zu Tode kommen. Allerdings geht es im deutschen Strafrecht nicht nur um Vergeltung, sondern vor allem darum, eine gerechte Strafe zu finden. Es muss eine Strafe gefunden werden, die zu Tat und Täter passt. Dieses Suchen nach einer gerechten Strafe scheint bei einer Verurteilung wegen Mordes oft schwierig, da es als Strafe nur die lebenslange Freiheitsstrafe gibt. Eine Abstufung, wie bei anderen Delikten ist nicht möglich. Doch auch die Voraussetzungen, die eine Tötung zum Mord machen, wie hier die Gemeingefährlichkeit, lassen Raum für eine Beurteilung, die im Einzelfall betrachtet werden muss.
    Das Verhalten der Raser war zweifellos rücksichtlos und eine Strafbarkeit zwischen 10 und 15 Jahren scheint in jedem Falle angemessen. Aber lebenslang, das scheint zu viel. Man muss vorliegend bedenken, dass die Täter hier nicht mit Absicht getötet haben, sondern höchstens mit Eventualvorsatz.
    Im Urteil des BGH zu den Berliner Raser-Fällen darf auch nicht die bloße Zurückdrängung und Verharmlosung der Raser-Fälle gesehen werden, vielmehr zeigt der BGH durch sein Urteil auch gerade auf, dass es auf die genaue Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ankommt.

    Stattdessen war die Politik gefragt, um durch die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestandes den richtigen Rahmen für eine gerechte Bestrafung zu bilden. Dementsprechend hat der Gesetzgeber nunmehr reagiert und § 315 d StGB geschaffen. Darin sind für fahrlässige Tötungen im Rahmen von illegalen Autorennen, Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr bis zu zehn Jahren vorgesehen. Hierdurch wurde somit vom Gesetzgeber eine Quasi-Strafbarkeitslücke geschlossen. Somit werden sich Gerichte künftig nicht mehr gezwungen sehen, einen Mord zu konstruieren, um einer gerechten Strafe zu gelangen. Gleichzeitig wird durch den Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung entsprochen.

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