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Der Kreuz-Erlass der bayerischen Staatsregierung – Wahlkampf oder „Bekenntnis zur Identität“

Am 22. Mai 2018 trat, mit Bekanntmachung im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl.), der bundesweit kontrovers diskutierte und selbst innerkirchlich umstrittene Kreuz-Erlass der bayerischen Staatsregierung vom 24. April 2018 in Kraft. Ab 01. Juni 2018 gilt dann § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern. Darin heißt es: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“

Inhaltsverzeichnis
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    Kritik von allen Seiten – politisch und kirchlich

    Bereits kurz nach Bekanntwerden der Änderung, die auf eine Initiative von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zurückgeht, äußerten sich sowohl Politiker aller Fraktionen als auch Vertreter der Kirchen zum Kreuz-Erlass in bayerischen Behörden. Ungewöhnlich scharf kritisierte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx den bayerischen Ministerpräsidenten. Er warf ihm unter anderem vor, dass es dem Staat nicht zustehe, zu erklären, was das Kreuz bedeute und der Ministerpräsident durch den Vorstoß „Spaltung und Unruhe“ hervorgerufen habe.
    Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier distanzierte sich in der ARD-Sendung „Berlin direkt“ vom 06. Mai 2018 vom Beschluss der bayerischen Staatsregierung. Wörtlich sagte er: „Ich bin nicht Schiedsrichter über die Entscheidungen, die in Bayern getroffen worden sind. Aber es gibt ein paar verfassungsrechtliche Maßstäbe, die man zu Hilfe nehmen kann.“
    Hierbei spielte der Bundespräsident auf den sog. Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. Mai1995, Az. 1 BvR 1087/91, an.

    Der Kruzifix – Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

    Das Gericht hatte die bayerische Kruzifix-Plicht für Grund- und Hauptschulen beanstandet. Die Richter zeigten darin vor allem die negative Religionsfreiheit, also die Neutralitätspflicht des Staates und die Glaubensfreiheit aus Art. 4 GG auf. Unter die Glaubensfreiheit fällt danach auch das Recht, nicht vom Glauben anderer behelligt zu werden. Die negative Glaubensfreiheit sah das Bundesverfassungsgericht im Fall des „Lernens unter dem Kreuz“ jedenfalls verletzt. Die Richter ließen aber auch anklingen, dass diese nicht bei jedem kurzzeitigen Kontakt mit religiösen Symbolen, wie beim Passieren behördlicher Eingangsbereiche gelte.

    Staatliche Neutralitätspflicht

    Problematischer ist deshalb die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates. Der Staat darf sich von Verfassungs wegen nicht mit einer bestimmten Religion identifizieren. Das Grundgesetz wurde bisher „religionsfreundlich“ interpretiert, was auch als Absage an den, in Frankreich praktizierten, Laizismus gilt. Staat und Religionsgemeinschaften sind sich demnach wechselseitig zugewandt, wovon etwa der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (Art. 7 Abs. 3 GG) oder der öffentlich-rechtliche Status von Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 und 6 WRV) zeugen.
    Auch wenn das Kreuz in bayerischen Behörden nach Ansicht der Staatsregierung die „geschichtliche und kulturelle Prägung“ des Freistaates Bayern zum Ausdruck bringen und ein „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung“ sein soll, sieht der Göttinger Professor für öffentliches Recht Michael Heinig die Änderung von § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern „verfassungsrechtlich eng auf Kante genäht“.

    Weigerung zur Umsetzung des Kreuzerlasses

    Rechtlich sind die Behördenleiter/innen ab kommenden Freitag verpflichtet, im Dienstgebäude gut sichtbar ein Kreuz anzubringen. Es gibt jedoch auch hier Widerstand, die Weisung umzusetzen. Die Direktorin des staatlichen Neuen Museums in Nürnberg zum Beispiel, äußerte sich in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Mai 2018 dahingehend, dass „sie sich nicht verpflichtet sehe, hier zu handeln.“
    Auch der Landrat von Roth, Herbert Eckstein (SPD), lehnt den Kreuzerlass grundsätzlich ab. Er „halte überhaupt nichts davon, das Kreuz staatlich zu verordnen“.

    Unsere Einschätzung

    Die politische und gesellschaftliche Diskussion hinsichtlich des Kreuz-Erlasses könnte sich schon bald erledigt haben, denn die Umsetzung der Kreuz-Pflicht in Bayerns staatlichen Dienstgebäuden will das Innenministerium nicht überwachen. Ein Sprecher des Innenministeriums in München äußerte sich in der Augsburger Allgemeinen wie folgt: „Wir sehen keinen Anlass zu einer Überprüfung – und freuen uns über jedes Kreuz, das hängt. Und weiter: „Die Behördenleiter sollen das Kreuz so aufhängen, wie sie es für richtig halten.“
    Damit bleibt abzuwarten, ob die staatliche Anordnung auch ohne Kontrolle vollzogen wird und ob es sich politisch um mehr als vorbereitenden Wahlkampf handelt.

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